Judenprivileg Kaiser Heinrichs IV. , gegeben zu Speyer am 19. Februar 1090
Druck in: MGH DD Heinrici IV., Nr. 411, S.543-547.
Heinrich nimmt die Juden zu Speyer, Judas Sohn des Calonim, David Sohn des Massulam und Moyses Sohn des Guthihel mit ihren Genossen, in seinen Schutz und stellt ihre Rechte fest.
1090, vor seinem dritten Italienfeldzug, bestätigte Heinrich IV. das Privileg Bischof Huozmans für die Juden von Speyer. Der Bischof hatte sie 1084 aus Mainz aufgenommen, um den Ruhm der Stadt zu mehren. Insgesamt ratifizierte der Kaiser damit die bereits geltenden Bestimmungen seiner karolingischen und salischen Vorgänger. Ein ganz ähnliches Privileg muss auch für die Regensburger Juden existiert haben. Leider ist es uns aber nicht überliefert. Die ersten Dokumente dieser Art für, die an Juden gerichtet sind, entstanden unter Ludwig dem Frommen.
Außerdem haben wir durch Vermittlung und auf Bitten von Hutzmann, Bischof von Speyer, befohlen, daß ihnen diese unsere Urkunde zugestanden und gegeben werde. Daher legen wir durch das königliche Gebot unserer Hoheit fest und befehlen, daß in Zukunft niemand, der unter unserer königlichen Macht mit irgendeiner Amtswürde oder Machtbefugnis ausgestattet ist, kein Geringer und kein Großer, kein Freier und kein Sklave, sich unterstehen soll, diese durch irgendwelche falschen Anklagen zu beunruhigen oder anzugreifen. Auch soll niemand es wagen, ihnen irgend etwas von ihren rechtmäßig ererbten Besitz an Höfen, Häusern, Gärten, Weinbergen, Feldern, Sklaven und sonstigen beweglichen oder unbeweglichen Gütern wegzunehmen. Wenn aber irgend jemand ihnen entgegen diesem Edikt irgendeine Gewalttätigkeit zufügt, so soll er gehalten sein, an die Schatzkammer unseres Palastes oder an die Kämmerei des Bischofs ein Pfund Gold zu zahlen und die Sache, die er ihnen weggenommen hat, doppelt zu erstatten.
Auch sollen sie die freie Erlaubnis haben, ihre Güter mit wem auch immer es ihnen beliebt in gerechtem Handel auszutauschen und sich frei und unbehelligt in den Grenzen unseres Reiches zu bewegen, ihren Handel und Warenaustausch zu betreiben, zu kaufen und zu verkaufen, und niemand soll von ihnen einen Zoll eintreiben oder irgendeine öffentliche oder private Abgabe von ihnen fordern. In ihren Häusern sollen ohne ihr Einverständnis keine Fremden einquartiert werden, und keiner soll von ihnen ein Pferd für die Reise des Königs oder des Bischofs oder unfreiwillige Dienste für die Beförderung des Königs verlangen. Wenn aber eine gestohlene Sache bei ihnen gefunden werden sollte und ein Jude sagt, er habe sie gekauft, so beweise er durch einen Eid nach seinem eigenen Gesetz, für wieviel er sie gekauft hat. Diesen Betrag soll er erhalten und die Sache dem, dem sie gehört, zurückgeben.
Niemand soll es wagen, ihre Söhne und Töchter gegen ihren Willen zu taufen, und wenn jemand sie zur Taufe gezwungen hat, sei es, daß sie heimlich geraubt wurden, oder sei es, daß sie mit Gewalt entführt wurden, soll er zwölf Pfund [Gold] an die Schatzkammer des Königs oder des Bischofs zahlen. Wenn irgend jemand aus eigenem Antrieb getauft werden will, so soll er drei Tage lang zurückgehalten werden, so daß man voll und ganz erkennt, ob er wirklich um der christlichen Religion willen oder ob er aufgrund irgendeines ihm zugefügten Unrechts sein Gesetz verläßt, und wie er sein Gesetz aufgibt, so soll er auch seinen Besitz aufgeben.
Auch soll niemand ihre heidnischen Sklaven unter dem Vorwand der christlichen Religion taufen und sie so dazu veranlassen, ihren Dienst zu verweigern. Wenn jemand dies tut, so soll er durch Gerichtsgewalt gehalten sein, eine Strafe zu zahlen, und zwar drei Pfund Silber, und außerdem soll er den Sklaven ohne Verzögerung seinem Herrn zurückgeben. Der Sklave aber soll alle Vorschriften seines Herrn befolgen, unbeschadet jedoch der Ausbildung des christlichen Glaubens, von dem er durch die Sakramente erfüllt ist. Auch soll es den Juden erlaubt sein, Christen zur Verrichtung ihrer Arbeiten heranzuziehen, außer an Feiertagen und Sonntagen, aber es soll ihnen nicht gestattet sein, einen christlichen Sklaven zu kaufen.
Wenn ein Christ gegen einen Juden oder ein Jude gegen einen Christen wegen irgendeiner Angelegenheit einen Prozeß oder einen Rechtsstreit hat, sollen beide, je nachdem wie die Angelegenheit liegt, gemäß ihrem eigenen Gesetz Gerechtigkeit schaffen und ihre Sache beweisen, und niemand soll den Juden zur [Probe des] glühenden Eisens oder des siedenden oder kalten Wassers zwingen, ihm Geißelhiebe versetzen oder ihn einkerkern, sondern der Jude soll nach vierig Tagen einen Eid nach seinem Gesetz schwören, und er soll nicht [allein] durch Zeugenaussagen bezüglich irgendeiner Angelegenheit überführt werden. Und wer auch immer sie [die Juden] entgegen diesem unserem Edikt unter Druck setzen will, soll eine Strafe zahlen, und zwar drei Pfund Silber.
Wer aber [einen Juden] verletzt, wenn auch nicht tödlich, soll ein Pfund Gold zahlen. Wenn es aber ein Sklave war, der ihn getötet oder verletzt hat, so soll sein Herr die oben genannte Strafe zahlen oder seinen Sklaven zur Strafe ausliefern. Wenn er jedoch, durch Armut bedrängt, die vorgeschriebene Strafe nicht zahlen kann, soll er dieselbe Strafe erleiden, mit der zur Zeit des Kaisers Heinrich, meines Vaters, jener bestraft wurde, der einen Juden namens Vivus getötet hat. Diesem wurde nämlich ein Auge ausgestochen und die rechte Hand abgehackt.
Wenn die Juden untereinander einen Prozeß oder einen Rechtsstreit zu entscheiden haben, sollen sie nur von ihresgleichen überführt und abgeurteilt werden. Und wenn irgend jemand von ihnen in betrügerischer Weise bezüglich irgendeiner Sache, die bei ihnen geschehen ist, die Wahrheit verheimlichen will, so soll er von demjenigen, der in der Gegend der Synagoge des Bischofs vorsteht, gemäß seinem Gesetz gezwungen werden, über das, wozu er befragt wird, die Wahrheit zu sagen. Wenn sich einmal zwischen ihnen oder gegen sie schwierige Streitfragen oder Prozesse erheben, sollen diese an den Bischof verwiesen werden, damit sie aufgrund seines Urteils beigelegt werden können. [Solange bis dies geschehen ist,] soll der Friede unter den Beteiligten gewahrt bleiben.
[Die Juden] sollen außerdem die Erlaubnis haben, ihren Wein, Salben und Arzneimittel an die Christen zu verkaufen, und wie wir schon gesagt haben, soll niemand Spanndienste, Fuhrwerke, unfreiwillige Leistungen oder irgendeine andere öffentliche oder private Abgabe von ihnen eintreiben.
Und damit dieses Zugeständnis zu jeder Zeit uneingeschränkt gültig bleibt, haben wir befohlen, darüber diese Urkunde aufzusetzen und sie mit dem Abdruck unsers Siegels zu versehen. [...]
Übersetzt in: Juden in Europa - ihre Geschichte in Quellen (Bd. 1 - Von den Anfängen bis zum Mittelalter) , hrsg. v. J. H. Scholps und H. Wallenborn, Darmstadt 2001, Nr. 53, S. 121-123.
Arbeitsaufträge:
- Warum wird in der Urkunde so deutlich zwischen Juden und Christen unterschieden?
- Welche Rechte werden den Juden zugestanden und was wird zu ihrem Schutz bestimmt?
- a) Welche ideellen und materiellen Interessen hat der Kaiser selbst an dieser Angelegenheit?
b) Inwiefern kann es dabei zu einem Rollenkonflikt des Kaisers kommen? - Welche Rolle spielt der Bischof von Speyer in dieser Problematik?
- Wie erklären Sie sich die Härte der angedrohten Strafen?
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