Dokument 2
Rückblick auf fünf Jahre Globalsteuerung. Kritische Bewertung durch den Wirtschaftswissenschaftler Egon Tuchfeldt (1973)
Urheber
Egon Tuchfeldt
Datum
1973
Bestand/Sign.
Egon Tuchfeldt, Soziale Marktwirtschaft und Globalsteuerung, in: ders. (Hg.), Soziale Marktwirtschaft im Wandel, Freiburg i. Br. 1973, S. 166 ff.
Rückblick auf fünf Jahre Globalsteuerung. Kritische Bewertung durch den Wirtschaftswissenschaftler Egon Tuchfeldt (1973)
Selten ist eine grundlegende Änderung des wirtschaftspolitischen Kurses (nach Verabschiedung des Stabilitätsgesetzes, R.K.) mit so vielen Vorschußlorbeeren bedacht worden... Vielfach konnte man lesen, die Bundesrepublik Deutschland sei nun mit dem besten konjunkturpolitischen Instrumentarium der Welt ausgestattet. Man sprach sogar vom "prozeßpolitischen Grundgesetz der Marktwirtschaft", ferner davon, daß man es jetzt mit einer "aufgeklärten" Marktwirtschaft zu tun habe - im Gegensatz zur "naiven" Marktwirtschaft vorher. Zunächst schien allerdings die Entwicklung der Jahre 1967 und 1968 die Vorschußlorbeeren zu bestätigen. Binnen Jahresfrist gelang es aus der Talsohle wieder herauszukommen, und zwar durch eine sehr massive Kombination finanzpolitischer Investitionsanreize und -programme mit einer entsprechenden Politik des billigen Geldes...
Heute sind wir jedoch in der Lage, die Wirksamkeit dieses Gesetzes über einen längeren Zeitraum beurteilen zu können. Generell läßt sich feststellen, daß die Globalsteuerung ihre Bewährungsprobe nicht bestanden hat. ... Zwar funktioniert die Globalsteuerung in einer kurzen expansiven Phase, als es darum ging, wieder eine Vollauslastung der Kapazitäten zu erreichen. Vor die selbst herbeigeführten Probleme der Hochkonjunktur gestellt, hat die neue Politik jedoch die in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt. Schon Ende 1968 begannen sich die Schwierigkeiten der außenwirtschaftlichen Absicerung bemerkbar zu machen, die seitdem schubweise immer wieder aufgetreten sind. Die sachlich notwendige Aufwertung im Frühjahr 1969 wurde bis nach der Bundestagswahl 1969 verzögert, als es schon zu spät und die Anpassunginflation bereits erfolgt war.
Die weitere Entwicklung läßt sich, wenn auch etwas vergröbert, charakterisieren als ein hektisches Hin und Her von Maßnamen, bedingt durch den Tatbestand, daß der böse Geist der Zielabweichung bald an dieser, bald an jener Ecke des "magischen Vierecks" auftauchte, was zu immer neuen Konjunkturprognosen und durch eine Unter- oder Überschätzung der Wirksamkeit vieler Instrumente. So kam es zu Inflationsraten, Ungleichgewichten auf dem Arbeitsmarkt und bei der Zahlungsbilanz, die bei einem wirtschaftspolitischen Effizienzvergleich mit der vorausgegangenen Sozialen Marktwirtschaft relativ ungünstig abschneiden. Das Stabilisierungsgesetz zeigte insgesamt eine asymmetrische Wirksamkeit. Man kann mit Hilfe dieses Gesetzes und der daurch geschaffenen Möglichkeiten leicht Gas geben. Die Bremsen des Konjunkturautos funktionieren dagegen nicht befriedigend.
Heute sind wir jedoch in der Lage, die Wirksamkeit dieses Gesetzes über einen längeren Zeitraum beurteilen zu können. Generell läßt sich feststellen, daß die Globalsteuerung ihre Bewährungsprobe nicht bestanden hat. ... Zwar funktioniert die Globalsteuerung in einer kurzen expansiven Phase, als es darum ging, wieder eine Vollauslastung der Kapazitäten zu erreichen. Vor die selbst herbeigeführten Probleme der Hochkonjunktur gestellt, hat die neue Politik jedoch die in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt. Schon Ende 1968 begannen sich die Schwierigkeiten der außenwirtschaftlichen Absicerung bemerkbar zu machen, die seitdem schubweise immer wieder aufgetreten sind. Die sachlich notwendige Aufwertung im Frühjahr 1969 wurde bis nach der Bundestagswahl 1969 verzögert, als es schon zu spät und die Anpassunginflation bereits erfolgt war.
Die weitere Entwicklung läßt sich, wenn auch etwas vergröbert, charakterisieren als ein hektisches Hin und Her von Maßnamen, bedingt durch den Tatbestand, daß der böse Geist der Zielabweichung bald an dieser, bald an jener Ecke des "magischen Vierecks" auftauchte, was zu immer neuen Konjunkturprognosen und durch eine Unter- oder Überschätzung der Wirksamkeit vieler Instrumente. So kam es zu Inflationsraten, Ungleichgewichten auf dem Arbeitsmarkt und bei der Zahlungsbilanz, die bei einem wirtschaftspolitischen Effizienzvergleich mit der vorausgegangenen Sozialen Marktwirtschaft relativ ungünstig abschneiden. Das Stabilisierungsgesetz zeigte insgesamt eine asymmetrische Wirksamkeit. Man kann mit Hilfe dieses Gesetzes und der daurch geschaffenen Möglichkeiten leicht Gas geben. Die Bremsen des Konjunkturautos funktionieren dagegen nicht befriedigend.
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