Das Ende des Wirtschaftswunders bedeutete zugleich auch das politische Scheitern von Bundeskanzler Erhard. Am 27. Oktober 1966 erklärten die FDP-Minister ihren Rücktritt aus der Bundesregierung, weil sie die von Erhard und der CDU zum Ausgleich des Bundeshaushalts erwogene Steuererhöhung grundsätzlich ablehnten.
Damit endete die Zusammenarbeit zwischen CDU/CSU und FDP und erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wurde eine Große Koalition zwischen CDU und SPD gebildet. Am 1. Dezember 1966 wählte der Bundestag den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Kurt Georg Kiesinger (CDU) zum Bundeskanzler, der regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt (SPD) wurde Vizekanzler und Außenminister. Bereits im Januar 1966 hatte Altbundeskanzler Adenauer im Anschluss an enstrepchende Äußerungen des Bundespräsidenten Heinrich Lübke die Notwendikeit einer „Großen Koalition“ hervorgehoben und die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten damit begründet, daß „wir Gesetze nötig haben, die nur mit Zweidrittelmehrheit wegen ihres verfassungsändernden Charakters beschlossen werden können.“
"Aufgaben einer neuen Bundesregierung". Aus dem 8-Punkte-Programm der SPD-Bundestagsfraktion für die zu lösenden Sachprobleme in einer Großen Koalition, 8. November 1966
1. Die Bundesregierung muß, um unserer äußeren Stabilität und Sicherheit willen, das Verhältnis zu Washington und Paris wieder in Ordnung bringen. 2. Um die Stabilität des Bündnisses willen und als Beitrag zur Entspannung muß sie den Ehrgeiz auf atomaren Mitbesitz aufgeben. 3. Sie muß aktiv für die Normalisierung unseres Verhältnisses zu den östlichen Nachbarvölkern und für die Versöhnung mit ihnen eintreten. 4. Sie muß Klarheit schaffen über unseren eigenen Handlungsspielraum gegenüber den Ostberliner Machthabern; sie muß diesen Handlungsspielraum ausfüllen. 5. Die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland ist durch die politischen Versäumnisse der bisherigen Regierung in die Gefahr der Stagnation und des Rückschlags geraten. Durch sofort einzuleitende Maßnahmen muß der deutschen Wirtschaft die Möglichkeit geschaffen werden, in einen neuen Aufschwung einzutreten, damit in Zukunft Stabilität lind Wachstum gleichermaßen gesichert sind. 6. Die Ordnung der Staatsfinanzen ist hierzu unabdingbare Voraussetzung. Die neue Bundesregierung muß die Haushaltskatastrophe für 1967 abwenden; sie darf dabei die bisherige Augenauswischerei nicht fortsetzen, die für das Jahr 1968 das Defizit noch verdoppeln würde. 7. Bund, Länder und Gemeinden sind die gleich notwendigen tragenden Säulen unseres Staates; die finanzielle Neuordnung muß allen Dreien gleichberechtigt die Voraussetzung für die Lösung ihrer jeweiligen Aufgaben verschaffen. Die Bundesregierung muß für eine allgemeine Rangordnung sorgen, die sich an den wirtschafts- und sozialpolitischen Notwendigkeiten orientiert. 8. Wirtschaftliches Wachstum, finanzielle Ordnung und soziale Stabilität sind die innenpolitischen Grundlagen für einen Fortschritt unserer Gesellschaft und für eine kontinuierliche Politik nach innen und außen.
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