1. Deutschland im Jahre 1931/32: Politische und soziale Realität
Bürgerkrieg in Deutschland. Beobachtungen des amerikanischen Journalisten Hubert R. Knickerbocker (1932):
„Werden wir den Bürgerkrieg bekommen?" fragte ein Deutscher. Die Antwort lautete: „Wir haben ihn schon."...Der Hass, den die beiden Parteien gegeneinander hegen, lässt sich sogar statistisch erfassen. Das nationalsozialistische Hauptquartier in Berlin erklärt, dass vom 1. 12. 1930 bis 1. 12. 1931 79 Nationalsozialisten von Roten erschossen, erstochen, totgeschlagen oder zu Tode geprügelt worden seien. Das rote Büro für Rechtshilfe erklärt, dass in dem gleichen Zeitraum 103 Arbeiter von Nationalsozialisten und von der Polizei erschossen, erstochen, totgeschlagen oder zu Tode geprügelt worden seien, und zwar 52 von der Polizei, 51 von den Nazis.
Das ergibt eine Summe von 182 im Laufe von zwölf Monaten für das Hakenkreuzbanner und die rote Flagge im Gefecht Gefallener. Das ist jedoch nur ein Bruchteil der Gesamtverluste. Laut Angaben des nationalsozialistischen Hauptquartiers wurden im Laufe der letzten zwölf Monate gegen 5500 Nazis bei politischen Zusammenstößen verwundet. Die Roten melden für die gleiche Periode 9500 Verwundete. Die Verletzungen sind der verschiedensten Natur, von eingeschlagenen Nasen bis zu gebrochenen Wirbelsäulen, von Fleischwunden bis zu dauernder Verstümmelung. Wenn alle diese Verluste auf einen Tag fielen und eine Schlagzeile verkündete „Schlacht zwischen Nazis und Kommunisten; 182 Tote, 15 000 Verwundete",würde niemand anstehen, das, was vorgeht, als Bürgerkrieg zu bezeichnen. Wenn man bedenkt, dass wahrscheinlich keine ganzen zehn Prozent der Kampfteilnehmer einander jemals vor den Zusammenstößen von Angesicht zu Angesicht gesehen hatten und dass persönliche Motive nicht mitspielten, ist der kriegsartige Charakter des Konflikts deutlich erwiesen. Die Nazis haben die Angelegenheit geschäftlich aufgezogen und eine Versicherungsgesellschaft gegründet, die sie „Verwundetenhilfe" nennen. Jedes Parteimitglied ist verpflichtet, eine Jahresprämie von 3,60 Mark zu zahlen. Wer ordnungsgemäß bezahlt hat, kann, wenn ihm bei einem Zusammenstoß etwas widerfährt, darauf rechnen, dass ihm bei völliger und dauernder Berufsunfähigkeit 5000 Mark ausgezahlt werden; stirbt er, so erhalten seine Hinterbliebenen 1000 Mark. Früher befasste sich eine Versicherungsgesellschaft damit; als die Anzahl der Beschädigten aber die Prämien verschlungen und ein Defizit verursacht hatte, gab sie es schleunigst auf.
Hubert R. Knickerbocker, Deutschland so oder so?, Berlin 1932. S. 27 ff.
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