Das Konzil zu Konstanz 1414—1418
Autorentext von Wolfgang Lautemann
Der Zustand der Kirche infolge des Schismas rief überall in Europa solche Beschwerden über die Kirche hervor, dass auch die Leiter der Kirche ihnen gegenüber nicht taub bleiben kanten. Aus den Einwänden, die seit Marsilius, Occam und Wiclif theoretisch begründet werden und die alleinige Entscheidungsgewalt des Papstes bestritten, wurden vor allem in Frankreich theologisch und juristisch wohldurchdachte Lehren. Allerdings war die Ursache für den hoffnungslosen Zustand der Kirche, das Schisma, zugleich mit die Ursache dafür, dass sich das Papsttum nicht mehr in der Lage sah, aus eigene Kraft etwas gegen aas Verderben zu tun. So drang die konziliare Idee, die Vorstellung, dass einer allgemeinen Versammlung der Christenheit, worunter nun auch die christlichen Fürsten mitverstanden wurden und auch die Gelehrten der Universitäten, das Recht und die Pflicht zukomme, zu einer „Reformation an Haupt und Gliedern” zu schreiten, allmählich durch. Diesem Streben verdankt das erste der Reformkonzilien, das zu Pisa 1409, sein Zustandekommen.
Es gelang in Pisa nicht, etwas Entscheidendes zu erreichen. Zwar wählte man nach der Absetzung der beiden Päpste Gregor XII. und Benedikt XIII. Alexander V. zum obersten Hirten, doch da die beiden für abgesetzt erklärten Päpste nicht zurücktraten und sich auch zu behaupten vermochten, war das einzige Ergebnis, dass es nun drei Päpste gab. Da jeder Papst die Anhänger seiner Gegenpäpste in den Bann tat, waren gewissermaßen alle Christen doppelt im Bann.
Es waren schließlich die weltlichen Mächte, die in dem ständigen Abfließen beträchtlicher Summen Geldes nach Rom ihre eigenen Interessen geschädigt sahen, die ein neues, aus der ganzen Christenheit beschicktes Konzil veranlassten, das unter dem Vorsitz der Kaisers in Konstanz tagen sollte. Ihm waren drei große Aufgaben gestellt:
1. Die causa uniatis
2. Die casa reformationis
3. Die causa fidei
Viele tausende von Geistlichen aller Art, weltliche Herren mit ihrem Gefolge, Gelehrte der Universitäten und dazu ein unübersehbarer Schwarm bunten Volkes drängten sich in Konstanz zusammen, das für einige Jahre in den Mittelpunkt der Welt trat. Gelöst wurde auch hier nur die erste Frage, indem es gelang, alle drei Päpste abzusetzen und in Martin V. einen nunmehr als einzigen Papst anerkannten höchsten Priester zu wählen. Die Lösung der Glaubensfrage führte infolge der Verbrennung von Hus zu dem Aufstand, der als Hussitenkrieg Europa jahrzehntelang beunruhigt hat, und die Frage der Reform kam zu wenig durchschlagenden Lösungen, einmal weil die hier auftretenden „Nationen” ihre eigenen Ziele verfochten und es daher nur zu einzelnen Konkordaten zwischen der Kirche und den größeren Staaten kam, dann aber auch, weil der neue Papst sehr bald sich gegen die konziliare Lehre, auf der das ganze Konzil ruhte, zu wenden begann. Die Vertagung auf später, auf das Konzil zu Basel 1431-1449, war kein Ersatz für die gescheiterte Lösung an Ort und Stelle.
Geschichte in Quellen, Bd. 2, Mittelalter, hg. von Wolfgang Lautemann und Manfred Schlenke, München 1975, S. 803.
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