Generaledikt über die Ausweisung der Juden aus Spanien, 31. März 1492
Granada, 31. März 1492.
Don Ferdinand und Dona Isabel, durch die Gnade Gottes König und Königin von Kastilien, Leon, Aragonien usw.: An den Fürsten D. Juan, unseren sehr teuren und sehr geliebten Sohn, und an die Infanten, Prälaten, Herzöge, Marquise usw., an die Judenviertel und an alle Juden und Einzelpersonen, an die männlichen wie an die weiblichen jeden Alters und an alle anderen Personen jeglichen Standes, Gesetzes oder jeglicher Würde, allen, die dieser Erlass auf irgendeine Weise betrifft, Gruß und Gnade: Wisset, und ihr sollt es wissen, dass es nach den von uns eingezogenen Erkundigungen in unseren Königreichen einige schlechte Christen gibt, die mit unserem heiligen katholischen Glauben judaisierten. Schuld daran trug der vertrauliche Verkehr der Juden mit den Christen. Auf der Ständeversammlung, die wir in der Stadt Toledo im verflossenen Jahr 1480 abhielten, verordneten wir, dass die Juden in allen Städten, Dörfern und Ortschaften unserer Königreiche abgesondert wohnen sollten, und gaben ihnen Judenviertel und getrennte Orte, in denen sie ihrer Sünde leben und in ihrer Absonderung Reue fühlen sollten. Und wir haben daher den Befehl zur Inquisition in unseren Reichen gegeben, die, wie ihr wisst, seit mehr als in Jahren tätig ist. Durch sie sind viele Schuldige, wie bekannt ist, ausfindig gemacht worden. Wie wir durch die Inquisitoren und viele andere Fromme, geistliche und weltliche, in Erfahrung gebracht haben, scheint der Schaden, der aus dem Verkehr und dem Umgang mit den Juden für die Christen entstanden ist, sehr groß zu sein. Sie sind stolz darauf und legen es darauf an, durch viele Mittel und Wege unseren heiligen katholischen Glauben bei den Gläubigen zu zerstören, sie von ihm zu trennen und sie zu ihrem verfluchten Glauben und Denken hin-überzuziehen. Sie unterweisen die Christen in der Kunde und den Zeremonien ihres Gesetzes; sie halten Versammlungen ab, in denen sie ihnen das vorlesen und zeigen, was sie nach ihrem Gesetz zu halten und zu beobachten haben; sie beabsichtigen, sie und ihre Kinder zu beschneiden; sie geben ihnen Bücher, aus denen sie ihre Gebete verrichten; sie erklären ihnen die Fasttage und vereinigen sich mit ihnen, um die Geschichte ihres Gesetzes zu lesen und zu schreiben; sie setzen sie von ihrer Passahzeit vorher in Kenntnis und unterweisen sie in dem, was in ihr zu beobachten ist; sie geben ihnen von ihrem ungesäuerten Brot und ihrem Opferfleisch nebst den zugehörigen Zeremonien; sie unterrichten sie über die Dinge, deren sie sich zu enthalten haben, ebenso in den Speisen wie in anderen Dingen, die in ihrem Gesetz verboten sind; sie überreden sie, dass sie möglichst das Gesetz Moses halten und beobachten; sie suchen sie zu überzeugen, dass es kein anderes Gesetz, noch eine andere Wahrheit gebe als jene. Das alles kostet viele Verhöre und Bekehrungen, ebenso bei den Juden, wie bei denen, die von ihnen betrogen oder verdorben worden sind. Dies alles ist zum großen Schaden und Nachteil für unseren heiligen katholischen Glauben gewesen.
Und da wir von vielen Seiten von diesen Zuständen schon früher in Kenntnis gesetzt worden sind und wissen, dass die wirkliche Abhilfe aller dieser Schäden und Nachteile darin besteht, den Verkehr genannter Juden mit den Christen überhaupt zu unterbinden und sie aus unseren Königreichen und Lehnsgütern zu vertreiben, haben wir uns darauf beschränkt, sie aus allen Städten, Dörfern und Ortschaften Andalusiens zu verbannen, wo, wie es scheint, sie den größten Schaden gestiftet haben. Wir waren der Überzeugung, dass dies genüge, damit die Juden der anderen Städte, Dörfer und Ortschaften aufhörten, die obenerwähnten Frevel zu begehen. Wir haben nun in Erfahrung gebracht, dass weder dies, noch die Prozesse, die gegen einige der besagten Juden geführt worden sind, als wirksame Mittel genügten. Um diese große Schmach und Beleidigung der katholischen Religion zu beseitigen und dem abzuhelfen — denn jeden Tag ereignet es sich, dass die genannten Juden ihre Schlechtigkeit und ihre schimpflichen Absichten da fortsetzen, wo sie leben und verkehren —, und damit es ihnen nicht mehr gelingt, unseren heiligen katholischen Glauben zu beleidigen, wie auch diejenigen, die Gott bisher zu. behüten gewillt war, und diejenigen, die abfielen, sich besserten und in den Schoß der katholischen Kirche zurückkehrten, was in Anbetracht unserer menschlichen Schwäche und der Verschlagenheit und teuflischen Eingebung, die uns beständig antreibt, noch zunehmen könnte, muss das Übel mit der Wurzel beseitigt werden, d. h. die Juden müssen aus unseren Reichen vertrieben werden.
Denn wenn irgendein schweres und abscheuliches Verbrechen von irgendeinem Kollegium oder einer Universität begangen worden ist, so ist es recht und billig, dass besagtes Kollegium oder jene Universität aufgelöst oder vernichtet wird und dass die Großen für die Kleinen und die einen für die andern bestraft werden, und dass diejenigen, die das gute und ehrbare Leben der Städte und Dörfer verderben und die anderen durch Ansteckung schädigen, aus unseren Siedlungen vertrieben werden, auch wegen leichterer Gründe, die zum Schaden des Gemeinwesens sind, um so mehr für das größte, gefährlichste und ansteckendste aller Verbrechen, wie es dieses ist.
So beschließen wir nach dem Rate und der Meinung einiger Prälaten, Granden und Ritter unserer Königreiche und anderer Personen von Wissenschaft in unserem Rate, nachdem wir darüber große Beratungen gepflogen haben, alle Juden aus unseren Reichen zu verbannen, damit sie niemals zurückkehren. In bezug darauf veröffentlichen wir dieses Edikt, durch welches wir allen Juden und Jüdinnen jeden Alters, die in genannten Königreichen und Lehnsherrschaften leben und verweilen, ebenso den von dort gebürtigen wie den nicht von dort gebürtigen, welche auf irgendeine Weise oder unter einem Vorwand dorthin gekommen sind und in ihnen verweilen, gebieten, dass sie bis Ende des Monats Juli mit ihren Söhnen und Töchtern, Dienern und Dienerinnen, großen und kleinen, eines jeden Alters das Land verlassen müssen ... Wenn sie dies nicht tun und befolgen und in genannten Königreichen und Lehnsherrschaften angetroffen werden oder auf irgendeine Weise in sie zurückkehren, werden sie mit dem Tode und der Konfiskation ihrer Güter bestraft zugunsten unseres königlichen Schatzes und des Fiskus . . .
Und wir befehlen und verbieten, dass irgendwelche Personen unserer erwähnten Königreiche von irgendwelchem Stande, jeglicher Stellung und Würde, sich erkühnen, nach Ablauf des Termins, für alle Zeiten, weder öffentlich noch heimlich, einen Juden oder eine Jüdin aufzunehmen, zu empfangen oder zu beherbergen auf ihren Ländereien, noch in ihren Häusern, noch in irgendeinem anderen Teil genannter Reiche und Lehnsherrschaften, bei Strafe, alle Güter, Vasallen, Festungen und andere Erbschaften zu verlieren . . . Auf gleiche Weise geben wir genannten Juden und Jüdinnen die Erlaubnis und Befugnis, aus allen unseren Königreichen und Herrschaften ihre Güter und ihre Habe zu Wasser und zu Lande fortzuschaffen, insofern es nicht Gold oder Silber oder gemünztes Geld ist, noch die anderen durch die Gesetze unserer Königreiche verbotenen Dinge, ausgenommen Waren, die nicht verboten oder verheimlicht werden . . . Damit dies zur Kenntnis aller gelange und niemand Unkenntnis vorschützen kann, befehlen wir, dass dieser Erlass öffentlich auf den Plätzen, Märkten und anderen bekannten Plätzen genannter Städte, Dörfer und Ortschaften durch den Ausrufer in Gegenwart des Stadtschreibers bekannt-gegeben wird.
Gegeben in der Stadt Granada, 31. März, Jahr der Geburt unseres Heilands Jesu Christi 1492. Ich, der König. Ich, die Königin. Ich, Juan de Coloma, Sekretär des Königs und der Königin, ließ es auf ihren Befehl schreiben.
Julius Höxter, Quellenlesebuch zur jüdischen Geschichte und Literatur. II. Teil, Frankfurt a.M. 1927, S. 117-121
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