Bulle des Papstes Innocenz IV. gegen die fälschlichen Blutbeschuldigungen und Verfolgungen, denen die Juden Alemanniens ausgesetzt sind , 5. Juli 1247
Lyon, 5. Juli 1247.
... Innocenz, Bischof, Knecht der Knechte Gottes, bietet den ehrwürdigen Brüdern, den Erzbischöfen und Bischöfen Alemanniens, Heil und apostolischen Segen.
Wir haben die Tränen erregende Klage der Juden Alemanniens vernommen, dass einige, sowohl geistliche wie weltliche Fürsten und andere Edle und Mächtige eurer Städte und Sprengel, um die Güter jener ungerechterweise zu plündern und sich anzueignen, böse Ratschläge sinnen und häufige und verschiedene Gelegenheiten herbeiführen — wahrlich ohne kluges Überlegen, da ja aus ihren Urkunden gleichsam die Zeugnisse des christlichen Glaubens hervorgegangen sind.
Da die göttliche Schrift unter andern Befehlen des Gesetzes sagt: „Du sollst nicht töten”, und jenen besonders verbietet, am Osterfeste etwas Gestorbenes zu berühren, so beschuldigt man sie fälschlich, dass sie an demselben Feste sich das Herz eines getöteten Knaben gegenseitig mitteilen, in dem Glauben, dass das Gesetz ihnen dieses vorschreibe, während dies offenbar ihrem Gesetze zuwider ist; — übel ist es, dass man ihnen die Leichname gestorbener Menschen, die man irgendwo gefunden hat, aufbürdet. Und über solche und viele andere Erfindungen gegen sie in Wut entbrannt, begeht man gegen sie, ohne Anklage, ohne Geständnis, ohne Überführung, wider die ihnen vom päpstlichen Stuhle verliehenen Privilegien, wider Gott und die Gerechtigkeit, Raub aller ihrer Güter, quält sie mit Hunger, Gefängnis und so vielen Bedrängnissen und Bedrückungen, indem man sie mit den verschiedensten Strafen belegt und so viele von ihnen zum schmählichen Tode verdammt, so dass diese Juden unter der Herrschaft jener Fürsten, Edlen und Mächtigen schlechter daran sind, als ihre Väter unter Pharao in Ägypten gewesen sind. — Ja, man zwingt sie jämmerlicherweise, aus den Orten, die sie und ihre Voreltern seit undenklichen Zeiten bewohnt haben, zu weichen. Ihre Vertreibung befürchtend, haben sie sich an die Für-sorge des apostolischen Stuhles gewandt.
Indem wir daher nicht wollen, dass die vorgenannten Juden unschuldig gequält werden, denn der mitleidige Herr erwartet doch ihre Bekehrung, da nach dem Propheten ihre Überreste auch gerettet werden sollen, — so befehlen wir eurer Brüderlichkeit durch apostolisches Schreiben, dass ihr euch ihnen günstig und wohlwollend zeigen, und dass, wenn ihr die erwähnten Prälaten, Edle und Mächtige in einem ähnlichen Versuche gegen diese Juden findet, ihr den rechtlichen Zustand zurückrufen und nicht ferner gestatten sollet, dass sie wegen dieser, ähnlicher oder irgendwelcher Dinge unverschuldet bedrückt und gequält werden. Die Bedrücker ähnlicher Art sollt ihr durch geistlichen Zwang ohne weitere Berufung zur Ruhe bringen ...
Julius Höxter, Quellenlesebuch zur jüdischen Geschichte und Literatur. III. Teil, Frankfurt a.M. 1927, S. 22-24
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