Vorbereitung zum zweiten Kreuzzuge. 1147. Judenmord zu Würzburg.
Jahrbücher von Würzburg zum Jahre 1147
Es lief also untereinander Volk von beiderlei Geschlecht, Männer und Weiber, Arme und Reiche, Fürsten und Große der Krone mit ihren Königen, Weltgeistliche und Mönche mit ihren Bischöfen und Äbten. Der eine hatte dies, der andere das Begehren. Denn manche waren gierig nach Neuem und zogen, um das Land zu beschauen, andere zwang die Armut und dürftiges Hauswesen. Diese waren bereit, nicht nur gegen die Feinde des Kreuzes Christi zu kämpfen, sondern auch gegen jeden guten Freund des Christentums, wenn es sich tun ließ, um ihrer Armut abzuhelfen. Andere wieder wurden durch Schulden bedrängt oder gedachten, die Dienste zu verlassen, die sie ihren Herren zu leisten hatten, oder sie erwarteten die verdiente Strafe für ihre Missetaten. Diese alle heuchelten Gotteseifer, aber sie waren nur eifrig, die Last ihrer großen Bedrängnis abzuwerfen. Kaum dass man wenige fand, die durch fromme und heil-bringende Absicht geleitet wurden und durch die Liebe Gottes so weit entzündet waren, dass sie für das Allerheiligste ihr Blut vergießen wollten. Aber nähere Erörterung dieser Sache überlassen wir dem Herrn, der die Herzen durchschauet; Gott kennet die Seinen am besten.
Der ganze Schwarm eilte der Stätte zu, wo die Füße Christi gestanden haben; mit dem Zeichen des Kreuzes bezeichneten sie ihre Röcke sehr auffällig, und wo sie durchzogen und Juden fanden, zwangen sie diese zur Taufe; die Widerstrebenden brachten sie ohne Zaudern um. So kam es, dass manche Juden in der Not durch den Quell der Taufe abgewaschen wurden; einige von diesen blieben bei dem angenommenen Glauben, andere kehrten, als es Friede wurde, zu ihrer alten Gewohnheit zurück. Nur ein Beispiel will ich aus vielen Berichten anführen, den Judenmord, der zu Würzburg geschah, damit ich durch die genaue Angabe eines Falles den übrigen besseren Glauben verschaffe. Als im Monat Februar die Fremden in der Stadt zusammenströmten, fand man durch Zufall am 24. Februar den Leib eines Menschen auf, der in viele Stücke zerschnitten war, zwei größere Stücke im Mainfluß, eins zwischen den Mühlen bei der Vorstadt Bleiche, andere bei dem Dorfe Thunegersheim; die übrigen Stücke fanden sich außer der Mauer auf dem Wall. Und als man alle Teile des zerstreuten Leibes gesammelt hatte, wurde der Leib zu dem Hospital getragen, das unterhalb der Stadt ist, und dort auf dem Kirchhofe begraben.
Darauf wurden sowohl Bürger als Fremde von plötzlicher Wut ergriffen, als wenn sie aus diesem Vorfall eine gerechte Veranlassung gegen die Juden gefunden hätten; sie brachen in die Häuser der Juden ein, stürmten auf sie und töteten Greise und Jünglinge, Frauen und Kinder ohne Unterschied, ohne Zaudern, ohne Erbarmen. Wenige retteten sich durch die Flucht, noch wenigere ließen sich, Rettung hoffend, taufen, die wenigsten aber beharrten, als später der Friede wiederkam, beim Glauben. Auch geschahen, wie man behauptet, bei der Bestattung des Leibes Wunderzeichen, Stumme sollen gesprochen haben, Blinde gesehen, Lahme sollen gelaufen sein und andere Zeichen dieser Art. Deshalb verehrten die Fremden jenen Menschen, als ob er ein Märtyrer wäre, trugen Reliquien des Körpers einher, nannten ihn Theodorich und verlangten, dass man ihn heilig spreche.
Und da Siegfried, der fromme Bischof der Stadt, mit der Geistlichkeit ihrem Toben und ihrem Irrtum widerstand, so erregten sie gegen den Bischof und die Geistlichkeit eine solche Verfolgung, dass sie den Bischof steinigen wollten und ihn in die schützenden Mauern der Türme drängten; die Geistlichen aber wagten in der allerheiligsten Nacht des Abendmahles aus Furcht vor Verfolgern weder zum Chor hinaufzugehen, noch die Messe zu singen. Als nun die Woche der Auferstehung des Herrn kam, machten sich die Fremden auf die beschlossene Fahrt. Da wurde endlich die Aufregung in der Stadt unterdrückt, und alles kam zur Ruhe. Dies ereignete sich in Würzburg; was aber die Haufen in anderen Städten getan haben, das mag man daraus erkennen.
Julius Höxter, Quellenlesebuch zur jüdischen Geschichte und Literatur. III. Teil, Frankfurt a.M. 1927, S. 12-14
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