Dies ist ein Auszug aus den Akten des Rektors der Universität Marburg aus dem Jahr 1819. Die Regierung in Kassel hat den Senat in einer Resolution vom 8. Oktober 1819 zu einer Stellungnahme im Fall des Studenten Valentin Heyn aufgefordert. Im vorliegenden Dokument kommt der Senat dieser Aufforderung nach. Es ist der Entwurf eines Berichts über einen Senatsbeschluß vom 18. Oktober an den Kurfürsten. Darin spricht sich der Senat der Universität in einem Ausschlussverfahren gegen den Studenten Valentin Heyn, von dem vermutet werden kann, an den Hepp-Hepp-Unruhen beteiligt gewesen zu sein, für das Consilium Abeundi (lat. für "der Rat, wegzugehen") aus. Das Consilium Abeundi war eine offizielle, vom Senat oder Rektorat einer Universität zu fällende Bestrafung für Studenten im 18. und 19. Jahrhundert. In der Zeit der Restauration waren unter anderem Mitgliedschaften in Studentenverbindungen oder Burschenschaften strafbar.
Transkription:
Zum Senatsbeschluß vom 18. October 1819
der academische Senat zu Marburg berichtet allerunterthänigst über die Bestrafung des Studiosus Juris Heyn und über dessen verderblichen Einfluß auf die übrigen Studierenden bei längerem Aufenthalte in Marburg.
Zu Folge des an uns ergangenen allerhöchsten Befehls vom 8. October zum Bericht. über die Bestrafung des Studiosi Juris Valentin Heyn aus Treysa und über dessen etwa verderblichen Einfluß auf die übrigen Studierenden bei längerem Aufenthalte in hiesiger Stadt, haben wir diesen wichtigen Gegenstand in zweien derhalb veranstalteten außerordentlichen Sitzungen unter genauer durchsicht der Untersuchungsacten, welche wir beikommend allerunterthänigst zurücksenden, in gemeinsame Erwägung gezogen und beeilen uns allerunterthänigst gutachtlich uns zu äußern.
Der Studiosus Heyn, dessen äußerliches Betragen während seines hiesigen Aufenthalts in Absicht und Fleiß, Höflichkeit, Müßigkeit, Bescheidenheit, und Eingezogenheit, soviel uns bekannt geworden ist, keinem Tadel hier unterworfen gewesen war, hat sich, wie die vorliegenden Untersuchungssachen zeigen der Theilnahme an geheimen Verbindungen und eines genauen Umgangs mit mehreren für die gute Ordnung und öffentliche Zucht wirklich gefährlichen Individuen des Auslandes höchst verdächtig gemacht. Indessen sind wir, auch bei der gewissenhaftesten Prüfung der vorliegenden Acten, und bei all der großen Umsicht und Trefflichkeit, womit die allerhöchsten ... gegen denselben verhängte Untersuchung eingeleitet und ausgeführt worden ist, nicht im Stande einen überführenden Beweis oder gar ein wirkliches Eingeständniß selbsteigenen Theilnahme an der Ausführung und Vollziehung verbrecherischer Handlungen aufzufinden, auf der hier vorliegenden Untersuchungsacten lediglich Theilnahme an einer geheimen Verbindung mit Individuen, die sich als gefährliche Feinde der bürgerlichen Ordnung ausgewiesen haben.
[Ob nun gleich nach dieser durch die stattgefundene Untersuchung hinreichend begründete thatsache nach unserem Ermessen an der Strafbarkeit des Inculpaten kein Zweifel seyn kann, da alle academischen Gesetze die Theilnahme an jeder durch die allerhöchsten Landesgesetze nicht autorisierten geheimen Verbindung jedem Studierenden ohne Ausnahme verbieten; und obgleich die hier vorliegenden Untersuchungsacten angeben, daß der Inculpat vorzugs weise bei seinem Aufenthalte zu Giesen theilnehmer an geheimen Verbindungen und mit höchst vedächtigen Menschen in Verkehr gewesen, bei hiesigen Aufenthalte dagegen sich frühzeitig von jenen Verbindungen und Menschen zurückgezogen habe, so müssen wir doch nichts desto weniger denselben für strafbar ansehen, und erlauben uns deswegen allerunterthänigst hier die Äußerung, daß derselbe die Austoßung von der hiesigen Universität durch das Consilium abeundi verwirkt habe. ]
da der Inculpat wegen seiner Verdächtigkeit für die academischen Disciplinarbehörden bei lämgerem Aufenthalt auf hiesiger Universität wenigstens einen Gegenstand steter Besorgnisse und der mühevollsten Aufmerksamkeit auf allen seinen Schritten abgeben würde, und es auch ... [unleserlich]... nicht mit Sicherheit verhängt werden kann, ob nicht die längere Gegenwart eines solcher Verbindungen und Bekanntschaften überwiesenen Menschen auf hiesiger Universität für die übrigen Studierenden von verderblichem Einflusses über kurz oder lang seyn müsste, so halten wir die baldige Entfernung des Incuplaten von hier für ein Semest der moralischen Sicherheit der hiesigen Studierenden als auch unserer eigenen Beruhigung sehr förderliches Mittel, welches durch das vorhin angegebene Consilium abeundi sich sehr bequem darbietet [letzter Halbsatz durchgestrichen und am Rand eingefügt: und hat deshalb der gesamte academische Senat den besagten Studiosus juris Heyn aus Treysa des Consili abeundi würdig erkannt.]
Arbeitsaufträge:
1. Was wird dem Studenten Heyn vorgeworfen?
2. Was wird dem Studenten Heyn vom Senat zu Gute gehalten? Mit welcher Begründung spricht sich der Senat dennoch für das Consilium Abeundi aus? Um was wäre der Senat in erster Linie besorgt, wenn Heyn weiterhin in Marburg bleiben würde?
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