In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten große Teile der Landbevölkerung Probleme, aus eigener Kraft ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Wirtschaftskrisen, Missernten und hohe Preise bei geringen Einkommen trieben viele Bauernfamilien in eine Notsituation. Kreditgenossenschaften und Konsumvereine sollten diese Probleme lösen, indem sie den Bauern günstig Zugang zu Lebensmitteln verschafften. Eine der Pioniere dieser Genossenschaftsbewegung war der Sozialreformer Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der im Rheinland die ersten Konsumgenossenschaften ins Leben rief. Die hessische Böckel-Bewegung machte sich den Erfolg Raiffeisens zu Eigen und warb im Kreis Marburg zur Bildung von bäuerlichen Konsumvereinen. Sie glaubte so die Bauern vom „jüdischen Wucher“ befreien zu können. Einer dieser antisemitischen Konsumvereine im Kreis Marburg war die Firma Struckmeyer & Co. Georg Winter, Mitglied des Vereins zur Abwehr des Antisemitismus, nahm diesen von Antisemiten gepriesenen Verein in einem seiner Artikel aus der Serie „Der Antisemitismus in Kurhessen und seine Bekämpfung“ in den Blick. Aus seiner Sicht würden diese Vereine unprofessionell arbeiten und keineswegs zur Linderung der bäuerlichen Not beitragen. Um den Antisemitismus zurück zu drängen, müsse den Bauern der Dilettantismus der Antisemiten vermittelt werden. Im konkreten Beispiel unterstellt Winter der Firma Struckmeyer, sich zuungunsten der Bauern zu bereichern. Für Winter war Struckmeyer & Co. ein Beispiel für Ineffektivität und Betrügereien in den antisemitischen Konsumvereinen.
Am 26. Januar 1892 antwortete der Böckelsche Reichsherold auf Winters Kritik und wirft ihm vor, die Unwahrheit zu sagen. Winter selbst entgegnet dieser Replik wiederum in seinem siebten Artikel aus der Serie „Der Antisemitismus in Kurhessen“ vom 21. Februar und arbeitet darin eine der zentralen Schwachstellen in der antisemitischen Agitation zu den Konsumvereinen heraus.
Arbeitsaufträge:
Teil V der Artikelserie Winters:
- Nach Winter preisen die Antisemiten die Firma Struckmeyer & Co. als „gemeinnütziges Unternehmen“. Winter unterzieht diese Behauptung einer genauen Prüfung. Zu welchem Ergebnis kommt er?
- Was erhofft sich Winter aus der Aufklärung über die Arbeitsweise der antisemitischen Firma Struckmeyer?
Artikel in Der Reichsherold vom 26.1.1892:
1. Wie reagiert der Reichsherold auf Winters Vorwürfe? Auf welcher Ebene argumentiert er?
Teil VII der Artikelserie Winters:
1. Auf welche Weise entgegnet Winter den Angriffen aus dem Reichsherold vom 26.1.1892?
2. Winter beschreibt den Bankrott des antisemitischen „Kurhessischen Central-Konsumverein“ in Marburg. Wie verteidigen die Antisemiten nach den Äußerungen Winters solche Bankrotte? Was nehmen sich die Antisemiten heraus, was sie Juden nicht zugestehen? Versuchen Sie daraus einen zentralen Schwachpunkt in der Argumentation der Antisemiten abzuleiten.
3. Was ist der zentrale Vorwurf Winters an die antisemitischen Konsumvereine?
Sebastian Haus
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