Curt Gasteyger, Die historische Bedeutung des INF-Abkommens vom 8.Dezember 1987
Fast scheint es inmitten dieses dramatischen Wandels, daß Europa anfangs der achtziger Jahre auf lange, vielleicht auf unabsehbare Zeit hinaus seinen letzten Kampf um neue nukleare Rüstung ausgetragen hat. [so Kap. III, 1.] Vier Jahre nach der Dislozierung der amerikanischen Pershing-Raketen und Marschflugkörper (cruise missiles) in Europa und nach drei Jahren Verhandlungen kam es zum ersten Durchbruch an der "Abrüstungsfront": dem Abkommen über eine Beseitigung aller amerikanischen und sowjetischen Raketen mittlerer und längerer Reichweite (Internationale-Range Nuclear Forces = INF). Es wurde anlässlich des Besuches von Generalsekretär Gorbatschow in Washington von ihm und Präsident Reagan am 8. Dezember 1987 feierlich unterzeichnet.
Das INF-Abkommen verpflichtet die beiden Weltmächte, sämtliche Raketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5500 km zu beseitigen und diesen Vorgang sowohl auf ihrem eigenen Territorium wie auf jenem der europäischen Stationierungsländer (der Bundesrepublik. Belgien, Italien, Großbritannien und den Niederlanden auf westlicher, der DDR, Polen und der Tschechoslowakei auf östlicher Seite) zu verifizieren. Verschwinden sollen also nicht nur die erwähnten amerikanischen Raketen vom Typ Pershing-2 und Pershing-lA sowie die landgestützten Marschflugkörper, sondern auch die sowjetischen Mittelstreckenraketen vom Typ SS-12 und SS.23 (500-1000 km) 211 sowie SS-4 und SS-5 (2000 km bzw. 2300 km Reichweite) und natürlich SS-20 (bis 5500 km) .
. . . Nicht nur werden erstmals ganze Kategorien nuklearer Waffen aus Europa entfernt; vielmehr wird damit ein Vorhaben in Gang gesetzt, das ohne ein erhebliches Maß an gegenseitigem Vertrauen kaum zu verwirklichen ist. Es kann somit den Auftakt zu weiteren Abrüstungsabkommen bilden. Damit wird deutlich, daß der Rüstungswettlaufnichts Zwangsläufiges an sich hat, daß er gebremst und möglicherweise sogar rückgängig gemacht werden kann. Michail Gorbatschow tat in seiner Rede vom 7. Dezember 1988 vor den Vereinten Nationen in New York einen ebenso überraschenden wie willkommenen Schritt in diese Richtung: Er kündigte einen einseitigen Abbau sowjetischer Streitkräfte um eine halbe Million Mann an. Damit löste er einen Prozeß aus, der den Weg zu einer auch konventionellen Abrüstung und einem ersten Rückzug sowjetischer und amerikanischer Streitkräfte aus Mitteleuropa öffnete.
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