4. Mauerbau 1961: Festschreibung der Blockbildung in Mitteleuropa
Der Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 wirkte wie ein Schock, und er machte klar, wie hoch der Preis für die Bewahrung des Status q~? in Mitteleuropa unter den Bedingungen des Ost-West-Konflikts war. Die Ordnung der Grenzen zwischen der DDR und der Bundesrepublik mehr als 28 Jahre später, am 9. November 1989, signalisierte einen Vorgang von welthistorischer Bedeutung: Das definitive Ende des Kalten Krieges und die Überwindung der aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangenen Spaltung des europäischen Kontinents.
Die Auswirkungen des Mauerbaus in Berlin am 13.8. 1961. Aus einem Bericht des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen vom 15. August 1962
Die Sektorengrenze zwischen Berlin (West) und Ostberlin wurde vor dem 13. August 1961 täglich von 500000 Berlinern überschritten. Jährlich besuchten 8 bis 10 Millionen Bewohner Ostberlins und der sowjetischen Besatzungszone Kultur- und Sportveranstaltungen in Berlin (West). Fast 30 Millionen Vorzugsfahrscheine wurden im Jahre 1960 in Verkehrsmitteln von Berlin (West) an Bewohner Ostberlins und der Sowjetzone verkauft. Bis zum 13. August 1961 standen für den intersektoralen Personenverkehr S- und U-Bahn als öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung.
Die kommunistischen Sperrmaßnahmen beendeten den Durchgangsverkehr von acht S-Bahn- und vier U-Bahn-Linien. Im sowjetischen Sektor wurden alle 48 S-Bahnhöfe für den Intersektorenverkehr gesperrt, von 33 U-Bahnhöfen in Ostberlin wurden 13 völlig geschlossen. Für den Intersektorenverkehr von Ausländern und Bürgern der Bundesrepublik Deutschland sind in Ostberlin nur auf den S- und U-Bahnhöfen Friedrichstraße je ein Sonderbahnsteig eingerichtet.
Die Sektoren- und Zonengrenze um Berlin (West) zerschneidet 193 Haupt- und Nebenstraßen; 62 führen nach Ostberlin, 131 in die Sowjetzone.
Vor dem 13. August 1961 konnte die Sektorengrenze zwischen Berlin (West) und dem sowjetischen Sektor an 81 Übergangs stellen überquert werden.
Am 13. August 1961 wurden 69 Übergangsstellen mit Stacheldraht abgesperrt oder zugemauert. 12 besonders bezeichnete Übergänge blieben zum Betreten des sowjetischen Sektors geöffnet.
Am 23. August 1961 wurden davon fünf Kontrollstellen geschlossen; somit standen am 15. August 1962 sieben Übergänge zur Verfügung...
Die Absperrungen bestehen aus:
12 km Mauer
(= etwa 7200 cbm Betonplatten, das ist Material für 150 Einfamilienhäuser)
137 km Stacheldrahtverhau
(=, 8000 bis 10 000 km Stacheldraht)
450 000 bis 500000 qm Schneisen, Todes- und Schußstreifen.
Zur genaueren Bewachung der Zonen- und Sektorengrenze wurden nach dem 13. August 1961 in und um Berlin 116 Wachtürme errichtet. Davon sind 14 im Zonengrenzbereich aufgestellt; 32 Wachtürme stehen entlang der Sektorengrenze, die durch Stadtgebiet verläuft...
Durch die sowjetzonale Abriegelung seit dem 13. August 1961 haben fast 10000 Einwohner des freien Teiles der Stadt ihren Kleingarten oder ihr Grundstück mit Wochenendhaus in Ostberlin verloren. Schon im Jahre 1952 hatten 40000 Einwohner von Berlin (West) infolge der damaligen sowjetzonalen Sperrmaßnahmen Grundstücke und Anwesen im Zonenrandgebiet entlang der Grenzen von Berlin (West) entschädigungslos eingebüßt.
Bis Anfang August 1961 hatten rund 53 000 Einwohner des Sowjetsektors eine Arbeitsstelle oder ein Angestelltenverhältnis mit Betrieben in Berlin (West). Diesen sogenannten "Grenzgängern" wurde vom 2. August an von den sowjetzonalen Behörden eine weitere Tätigkeit im freien Tell der Stadt unmöglich gemacht. Ebenso können rund 1100 Schüler und mehr als 500 Studenten ihre Ausbildung und ihr Studium in Berlin (West) nicht mehr fortsetzen.
Die Zonen- und Sektorengrenzen in und um Berlin zerschneiden dichtbesiedelte Wohngebiete. Um der Ostberliner Bevölkerung jede Möglichkeit zur Flucht zu nehmen und jede Verbindung mit den Einwohnern von Berlin (West) unmöglich zu machen, wurden zahlreiche Grenzhäuser, -straßen und -siedlungen von der sowjetzonalen Volkspolizei gewaltsam geräumt. Die schwerbewaffneten Räumkommandos erschienen ohne Ankündigung meist in den frühen Morgenstunden und überraschten die ahnungslosen Wohnungsinhaber und Hauseigentümer. Möbel und Hausrat wurden in kürzester Frist, nur notdürftig zusammengepackt, verladen und abtransportiert. Die zwangsevakuierten Familien wurden zunächst in notdürftig eingerichteten provisorischen Auffanglagern, meist Schulturnhallen, untergebracht. Ihr weiterer Aufenthaltsort ist nicht bekannt. Nach vorliegenden Angaben wurden 3835 Bewohner des Sowjetsektors von diesen Maßnahmen betroffen
Anfragen zu Reproduktionen in hoher Auflösung und druckfähige Vorlagen erhalten Sie von der unter Bestand/Sign. genannten Einrichtung.