Dokument 3
Schreiben von Cläre Fellgiebel an Oberst a. D. Ferdinand Brinkmann betreffend Ereignisse nach dem 20. Juli 1944 und das Schicksal ihrer Kinder, 28. März 1947
Urheber
Cläre Fellgiebel
Datum
26.03.1947
Bestand/Sign.
HStAM Depositum Fellgiebel, im Besitz von Susanne Potel, geb. Fellgiebel
Bestand/Inventar
2
Schreiben von Cläre Fellgiebel an Oberst a. D. Ferdinand Brinkmann betreffend Ereignisse nach dem 20. Juli 1944 und das Schicksal ihrer Kinder, 28. März 1947
Cläre Fellgiebel berichtet Brinkmann von der Gefangennahme ihrer Familie durch die Gestapo nach den Ereignissen des 20. Juli 1944, von der Krankheit und dem Tod ihres Sohnes, sowie von ihrer schwangeren Tochter. Sie führt aus, dass Prof. Dr. Helmut Arntz "beabsichtigt - ebenso wie noch mehrere Herren - eine Würdigung für die Arbeit" General Erich Fellgiebels zu veröffentlichen.
Zur Haftstrafe siehe auch Dokument 6.12.
Zur Beschlagnahmung des Vermögens siehe u.a. auch Dokument 7.8.
Hamm, 28.3.47
Knappenstraße 2 Lieber Herr Brinkmann!
Ihr Brief war mir eine große Freude. Jedes Lebenszeichen von Menschen aus der glücklicheren Vergangenheit ist eben wie eine Verbindung zu einem Leben, das einem jetzt beinahe unwahrscheinlich erscheint. Ich freue mich auch über alle Zeichen von Dankbarkeit und Anerkennung für meinen Mann. Ein Bild, das mir recht lebendig erscheint lege ich bei. — Bitte, machen Sie sich keine Gedanken über Einladungen etc., das ist ja so unendlich unwichtig, außerdem bin ich mal mit meinem Manne bei ihnen gewesen Irgendwo in Charlottenburg — ich glaube mit Göhrings zusammen. (Ich traf G.s im Herbst in Honneff/Rhein, wo er Assistent bei Professor Arntz in dessen Laboratorium für Farbfiimforschung ist. Adresse Honneff/Rh. Arntz Burg). Professor Arntz war als Reserve-Offizier im Stabe meines Mannes gerade zuletzt und hat mir unendlich viel erzählen können, was die Situation erklärt und ins richtige Licht setzt. Falls Sie Interesse haben, kann ich Ihnen eine Kopie schicken über Aufzeichnungen, die er gemacht hat über den 20. Juli 1944. Er beabsichtigt — ebenso wie noch mehrere Herren — eine Würdigung für die Arbeit meines Mannes gegen Hitler zu veröffentlichen.
Wir haben sehr Schweres durchgemacht, erst im Gefängnis der Gestapo unter unmöglichen Bedingungen und auch nachher, als wir wie Bettler und Geächtete dastanden. Nur große Freundschaft und Hilfsbereitschaft haben uns über diese Zeit hinweggeholfen. Man hat uns ja alles weggenommen: nicht nur Vermögen, Schmuck, Möbel, sondern auch Kleider, Wäsche und eben alles. ich habe meine Wohnung nie wieder betreten dürfen. Und bis jetzt habe ich auch noch nicht einen Pfennig ersetzt bekommen und muß mir meinen Lebensunterhalt selbst verdienen. Ich bin seit 11/4 Jahr als Dolmetscherin beim Britischen Roten Kreuz hier angestellt, eine Arbeit, die mir sehr liegt — zumal ich Ja auch ein ganz klein bissel dazu beitragen kann, die deutsche Not zu lindern. Die hier eingesetzten Engländerinnen arbeiten ausschließlich für die Deutschen. Wir haben 6 Kreise zu betreuen und sind viel im Wagen unterwegs, so daß ich abends so müde bin, daß ich nicht mehr denken kann. Nur so kann ich das Leben noch ertragen.
Mein Junge, der mit mir in einem Gefängnis war und furchtbar gelitten hat, kam Weihnachten in den Arbeitsdienst, mußte von dort fliehen, als die Russen kamen, und landete Ende Februar ganz krank in Berlin. Dort fand sich kein Arzt, der den Mut aufbrachte, einen Jungen mit dem Namen Fellgiebel zu behandeln. Er mußte in miserablem Körperzustand nach Erfurt, wo er bei den Panzern angenommen war. Dort hat er sich ein paar Wochen rumgequält, lnnendienst gemacht, bis er Ende März Hals über Kopf zur Infanterie abgestellt und sofort eingesetzt wurde —ohne einen Tag lnf.-Ausblidung. Nach 5 Tagen war er tot. Alles Nähere darüber ist so unglaublich und so untragbar, daß ich nicht darüber schreiben kann. Er war ein Kind von 17 Jahren.
Meine jetzt 22jährlge Tochter hat noch im Februar 1945 geheiratet und lebt mit ihrem Manne in Marburg, wo er, früherer Offizier, jetzt 3 Semester Medizinstudlum hinter sich hat. Sie schlagen sich unendlich tapfer durch mit Heimarbeit etc. Bis vor kurzem hat meine Tochter täglich 8 Stunden in einer Spielzeugwerkstatt gearbeitet. ihr ging ja auch ihre gesamte Ausstattung, Schmuck und kleines Erbteil von einer Tante verloren. Jetzt erwartet sie ihr erstes Kindchen in diesen Tagen, und ich werde 3 Wochen Urlaub nehmen, um ihr zuerst den Haushalt abzunehmen. Ich stehe in Verbindung mit Fr. Kieffel, Fr. Thiele, Fr. Möller und Herrn Benzmann, der sehr nach ihrer Adresse fragte. Er wohnt: (24) Rohishagen über Bad Oldesloe, Holstein, auf einem Gut bei Verwandten und hat Verbindung mit Euler, v. Hoepfner, Magnussen.
Wo sind eigentlich Juppes, Frau Hassel?
Was sind ihre Zukunftspläne? Es ist für Leute aus unseren Kreisen sehr schwer. Herrn Aues Adresse weiß ich auch, er ist Tischler. Ihnen und Ihrer Frau wünsche ich alles Gute, ich werde mich immer freuen, von ihnen zu hören.
ihre Kläre Feilgiebel
Verzeihen Sie den getippten Brief. Ich schreibe in der Mittagspause im Büro.
Wir haben sehr Schweres durchgemacht, erst im Gefängnis der Gestapo unter unmöglichen Bedingungen und auch nachher, als wir wie Bettler und Geächtete dastanden. Nur große Freundschaft und Hilfsbereitschaft haben uns über diese Zeit hinweggeholfen. Man hat uns ja alles weggenommen: nicht nur Vermögen, Schmuck, Möbel, sondern auch Kleider, Wäsche und eben alles. ich habe meine Wohnung nie wieder betreten dürfen. Und bis jetzt habe ich auch noch nicht einen Pfennig ersetzt bekommen und muß mir meinen Lebensunterhalt selbst verdienen. Ich bin seit 11/4 Jahr als Dolmetscherin beim Britischen Roten Kreuz hier angestellt, eine Arbeit, die mir sehr liegt — zumal ich Ja auch ein ganz klein bissel dazu beitragen kann, die deutsche Not zu lindern. Die hier eingesetzten Engländerinnen arbeiten ausschließlich für die Deutschen. Wir haben 6 Kreise zu betreuen und sind viel im Wagen unterwegs, so daß ich abends so müde bin, daß ich nicht mehr denken kann. Nur so kann ich das Leben noch ertragen.
Mein Junge, der mit mir in einem Gefängnis war und furchtbar gelitten hat, kam Weihnachten in den Arbeitsdienst, mußte von dort fliehen, als die Russen kamen, und landete Ende Februar ganz krank in Berlin. Dort fand sich kein Arzt, der den Mut aufbrachte, einen Jungen mit dem Namen Fellgiebel zu behandeln. Er mußte in miserablem Körperzustand nach Erfurt, wo er bei den Panzern angenommen war. Dort hat er sich ein paar Wochen rumgequält, lnnendienst gemacht, bis er Ende März Hals über Kopf zur Infanterie abgestellt und sofort eingesetzt wurde —ohne einen Tag lnf.-Ausblidung. Nach 5 Tagen war er tot. Alles Nähere darüber ist so unglaublich und so untragbar, daß ich nicht darüber schreiben kann. Er war ein Kind von 17 Jahren.
Meine jetzt 22jährlge Tochter hat noch im Februar 1945 geheiratet und lebt mit ihrem Manne in Marburg, wo er, früherer Offizier, jetzt 3 Semester Medizinstudlum hinter sich hat. Sie schlagen sich unendlich tapfer durch mit Heimarbeit etc. Bis vor kurzem hat meine Tochter täglich 8 Stunden in einer Spielzeugwerkstatt gearbeitet. ihr ging ja auch ihre gesamte Ausstattung, Schmuck und kleines Erbteil von einer Tante verloren. Jetzt erwartet sie ihr erstes Kindchen in diesen Tagen, und ich werde 3 Wochen Urlaub nehmen, um ihr zuerst den Haushalt abzunehmen. Ich stehe in Verbindung mit Fr. Kieffel, Fr. Thiele, Fr. Möller und Herrn Benzmann, der sehr nach ihrer Adresse fragte. Er wohnt: (24) Rohishagen über Bad Oldesloe, Holstein, auf einem Gut bei Verwandten und hat Verbindung mit Euler, v. Hoepfner, Magnussen.
Wo sind eigentlich Juppes, Frau Hassel?
Was sind ihre Zukunftspläne? Es ist für Leute aus unseren Kreisen sehr schwer. Herrn Aues Adresse weiß ich auch, er ist Tischler. Ihnen und Ihrer Frau wünsche ich alles Gute, ich werde mich immer freuen, von ihnen zu hören.
ihre Kläre Feilgiebel
Verzeihen Sie den getippten Brief. Ich schreibe in der Mittagspause im Büro.
Bearbeiter: MP — URL dieses Dokuments: http://www.digam.net/index.php?doc=8568
—
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