Heinz Strauß, damals 17 Jahre alt und in Cölbe wohnend, berichtet davon, dass die Familie von den Polizeibeamten gewarnt wurde:
1943, im Januar, Februar, wußten wir, was Sache war. Der Wachtmeister, nein Oberwachtmeister, kam abends mit seiner Frau zu uns. Seine Frau weinte. Er nahm meinen Vater an die Seite und sagte: "S., ich muß dir was erzählen. Wenn möglich, mach dich dünn. Sieh zu, daß du Cölbe verlassen kannst. Ihr sollt abgeholt werden. Ihr sollt ins KZ. Wir haben damals mitten im Dorf gewohnt. In dem Haus haben wir mit der Familie B. zusammengewohnt. Das war an der Hauptstraße, in der Untergasse 39.
Nachdem mein Vater von der Deportation erfahren hatte, kamen ihm auch gleich die Tränen. „Und was sollen wir jetzt machen? Ich komme hier nicht mehr weg, ich bin festgeschrieben. Wenn sie uns erwischen, kommen wir weg. Wir schaffen es nicht mehr. Wo sollen wir denn hin?" Der Wachtmeister ging weg. Abends spät kam die Frau noch einmal und brachte etwas zu essen. Es war furchtbar.
Dann kam noch ein anderer Wachtmeister, der hieß H. Der hat uns auch die Nachricht gebracht, daß wir weg sollen. Wir sollten aber ruhig bleiben. Dann kam das Schlimmste: Unser Bürgermeister kam, auch mit seiner Frau. Beide heulten wie die Schloßhunde. Sie haben uns gewarnt, aber wir konnten nichts machen. Und verstecken konnten sie uns auch nicht, [...]
Wir sind dann (am 23. März 1943, uer) von der Gendarmerie zum Cölber Bahnhof gebracht worden. Von da aus ging es dann mit dem Zug nach Marburg, zum Hauptbahnhof. Vom Hauptbahnhof brachten sie uns ins ehemalige Landratsamt. Dorthin, wo heute die Gedenktafel [Marburg, Barfüßerstraße] angebracht ist. Sie haben dann die Sinti zusammengeholt, die im Kreis lebten. [...]
Dann Polizisten, links und rechts, mit Gewehren und Hunden, sind wir dann losgegangen, durch die Stadt bis zum Bahnhof, und dann wurden wir in einen Waggon reingepfercht. [...]
In Kassel haben wir Halt gemacht. Da haben sie noch weitere Sinti eingeladen. Dann ging es durch bis nach Auschwitz-Birkenau. Uns haben die gesagt, wir werden angesiedelt, wir müßten da nur alles urbar machen. Das haben wir auch geglaubt. Wir haben nie geglaubt, daß es uns da schlecht geht."
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