Der NSDAP gelang es seit 1931 zunehmend, in den Organisationen der von der Krise besonders scharf getroffenen Landwirtschaft Fuß zu fassen. So wurden z. B. am 10. 10. 1931 auf Veranlassung der regionalen Land- und Kreisbauernbünde und der NSDAP in Schleswig-Holstein etwa 1000 Protestversammlungen abgehalten, die auch im Zusammenhang mit der am folgenden Tag stattfindenden Tagung der „Nationalen Opposition" in Bad Harzburg (s. Quelle 79) zu sehen sind.
Aus der Erklärung des Kreisbauernbundes Süderdithmarschen, 10. 11. 1931:
„Noch nie war die Lage der Landwirtschaft an der Westküste so ernst wie heute. Früher gingen die Untüchtigen und Leichtsinnigen Konkurs, heute gehen auch, und zwar in noch viel größerer Zahl, die Höfe Konkurs, deren Besitzer fleißig und tüchtig wirtschafteten und anspruchslos lebten, die nur den Fehler begangen haben, zu glauben ... dass uns vorwärts bringen würde, was man uns an guten Ratschlägen aus Studierstuben und vom grünen Tisch der Verwaltung vorredete und vorrechnete von Intensivierung, Rationalisierung, Produktionsvermehrung und Qualitätsverbesserung... Unsere Betriebe sind durch die niedrigen Preise landwirtschaftlicher Produkte und den erhöhten Zinsdruck... in ihrem Werte auf die Hälfte des Vorjahres gesunken... 50% müssen heute ihre Zahlungsunfähigkeit erklären ... Milchwirtschaft, Rinder und Schweinemast, Ferkel- und Kälberaufzucht und Gemüsebau - kein Betriebszweig liefert heute noch eine Rente... Die Polypenarme des internationalen Finanzkapitals zeigen sich in letzter Wirkung durch alle Banken und Sparkassen." Deshalb sei man zusammengekommen, um durch Zusammenfassung aller Kräfte mitzuhelfen, „dass auf den Trümmern eines abgewirtschafteten Systems... ein neues Reich jugendlicher Kraft entstehe, in dem ehrliche und fleißige Arbeit mehr Recht erhält als heute. Dazu gehört bei uns selber Beseitigung kleinlicher Hemmungen, der Selbstsucht und Eigenbrötelei. Wir sind lange genug zersplittert geblieben aus falsch verstandener Betonung unseres Königtums auf dem Hofe ... Wir können es uns nicht mehr leisten, dass der eine ohne Rücksicht auf das Schicksal des anderen lebt... So kommen wir einer nach dem anderen an den Bettelstab..." Deshalb hätten sich 65 000 Landwirte zu einer Notgemeinschaft zusammengeschlossen, als deren Ziele verkündet werden: Verhinderung der Zwangsversteigerungen durch Beseitigung ihrer Ursachen, und zwar: „1. schärfste und radikale Zinssenkung, 2. Grenzsperre durch Devisenverweigerung für Lebensmittel, die zur Genüge im eigenen Land erzeugt werden, 3. Beseitigung der ungesunden Handelsspanne, 4. Drosselung sozialer, staatlicher und anderer Überlastungen jeder Art unter Anpassung an die Leistungsfähigkeit des Berufsstandes, 5. Beseitigung der untragbaren Auslandsforderungen, 6. Gewährung einer hinreichenden Stillhaltesumme bis zur Verwirklichung betrieblicher Rentabilität."
Rudolf Heberle, Landbevölkerung und Nationalsozialismus. Eine soziologische Untersuchung der politischen Willensbildung in Schleswig-Holstein 1918 bis 1932, Stuttgart 1963, S. 126, S. 164ff.
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