Die Reichstagsdebatte über die Regierungserklärung. Aus der Rede des Abgeordneten Dr. Rudolf Breitscheid (SPD) vom 2. April 1930:
Der Herr Reichskanzler will mit diesem, wie Sie mir zugeben werden, etwas bunt zusammengewürfelten Kabinett sein Programm durchführen. Er sagt, er werde es durchführen oder durchzuführen versuchen „mit allen verfassungsmäßigen Mitteln". Wir geben uns alle keinem Zweifel darüber hin, was Herr Dr. Brüning unter den „verfassungsmäßigen Mitteln" versteht. Er hat deutlich genug mit dem Artikel 48 der Verfassung gewinkt. Im Artikel 48 heißt es, daß Ausnahmemaßnahmen getroffen werden können, wenn im Deutschen Reich die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder gefährdet ist. Wir werfen die Frage auf, ob in dieser Zeit die öffentliche Sicherheit und Ordnung so erheblich gestört und gefährdet ist, daß der Ausnahmeparagraph des Artikels 48 angewendet werden muß. Wir beantworten diese Frage mit einem glatten Nein...
Überdies, Herr Reichskanzler, wissen Sie so genau, wie ich es weiß, daß es... auf alle Fälle in diesem Hause eine Mehrheit gegeben hätte, die mit Ihnen gemeinsam eine Finanzreform durchgeführt hätte.
Diese ... Wege haben Sie nicht betreten. Statt dessen appellieren Sie jetzt an den Artikel 48, statt dessen künden Sie die Auflösung des Reichstags und die Anwendung des Artikels 48 an...
Mit der Anwendung des Artikels 48 wird ein erster Schritt getan, der, wie ich ehrlich befürchte, sehr bedenkliche Schritte mit sehr verhängnisvollen Folgen nach sich ziehen kann. Noch einmal, Herr Reichskanzler, es liegt mir nicht an großen Worten in diesem Augenblick. Ich mahne Sie, ich bitte Sie, ja, ich möchte sagen, ich beschwöre Sie: gehen Sie diesen Weg nicht, auf den Sie getrieben werden sollen.
Nach: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 427 (Sten. Ber.), S. 4736ff., zit. nach: Ursachen und Folgen, Bd. 8, S. 24f.
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