Nach dem Bruch der „Großen Koalition" am 27. 3.1930 beauftragte der Reichspräsident den Zentrumsführer Brüning mit der Bildung eines Kabinetts „ohne feste Bindung" an die Fraktionen.
Friedrich Stampfer über „Das Kabinett der Frontsoldaten"
Am 28.3.1930 schob eine Greisenhand den Zeiger der deutschen Uhr um vierzehn Jahre zurück. Hindenburg übertrug dem Vorsitzenden der Zentrumsfraktion, dem 46jährigen Dr. Heinrich Brüning, die Bildung einer neuen Regierung, die nicht mehr auf koalitionsmäßiger Grundlage beruhen sollte... Brüning ist zwar bürgerlich, aber Sproß einer angesehenen Bürgerfamilie und Bruder eines katholischen Geistlichen. Im Krieg war er ein tapferer Offizier, der - anders als andere - seine beiden Kreuze ehrlich verdient hatte. Am 9. 11. 1918 hatte er an der Spitze seiner Maschinengewehrabteilung vergeblich der Revolution Einhalt zu gebieten versucht und so stark war dieses Erlebnis in ihm, daß er sich seiner Tat in öffentlicher Reichstagssitzung rühmte - zum Entsetzen der Sozialdemokraten, auf deren Hilfe er damals schon wieder angewiesen war. Dem alten Hindenburg stand er völlig unkritisch gegenüber, ein simpler Hauptmann dem Generalfeldmarschall, und wie ein Hypnotisierter pures Wasser für herrlichen Wein trinkt, so galten ihm die jovialen Banalitäten des hohen Vorgesetzten als staatsmännische Erleuchtungen. Brüning war, als er sein Amt übernahm, durch und durch autoritätsgläubig trotz seiner unleugbar großen Intelligenz. Er hatte, als Stegerwalds rechte Hand, den christlichen Gewerkschaften aufrichtig gedient, war aber nur im Sinne der Sozialkonservativen sozial. In seiner Partei war der verschlossene, peinlich korrekte, auf Arbeit besessene Mann mehr angesehen als beliebt. Wo er eintrat, verstummten alle munteren Gespräche, gleich als ob ein strenger Kaplan in eine Knabenschar getreten wäre. Den Leuten, deren Ideal ein konservativ-klerikales Regiment war, konnte Brüning geradezu als ein Mann der Vorsehung erscheinen
Stampfer, Die ersten 14 Jahre der Deutschen Republik, S. 567 ff..
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