Der Young-Plan und das Ende der Großen Koalition
Das Auseinanderbrechen der „Großen Koalition" von SPD, DVP, DDP, BVP und Zentrum im Frühjahr 1930 gilt zu Recht als ein wichtiger Wendepunkt in der Geschichte der Weimarer Republik: Mit dem Rücktritt des sozialdemokratischen Reichskanzlers Hermann Müller am 27.3.1930 endete die letzte parlamentarische Regierung vor dem Machtantritt Hitlers im Januar 1933. Anlaß des Koalitionsbruchs waren Meinungsverschiedenheiten über die Finanzierung der Arbeitslosenversicherung. Die SPD lehnte dabei einen Kompromißvorschlag von DDP und Zentrum ab, zur Entlastung der Arbeitgeberanteile an der Arbeitslosenversicherung statt einer Erhöhung der Beiträge von 31/2 auf 4% zum jetzigen Zeitpunkt zunächst der Reichsanstalt einen staatlichen Zuschuß zu gewähren und über Beitragserhöhungen oder Leistungsabbau erst im Herbst 1930 zu entscheiden.
Die „Frankfurter Zeitung" über die politische Verantwortung für den Koalitionsbruch in ihrem Leitartikel vom 28. 3.1930:
Es gibt ein Maß von Einsichtslosigkeit, das zur Schuld wird. Diese Schuldeiner wirklich unerlaubt großen Einsichtslosigkeit hat gestern die Mehrheit der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion auf sich geladen. Denn auch wenn man, wie wir, durchaus in Rechnung stellt, was der Sozialdemokratie in den ganzen eindreiviertel Jahren des Bestandes der großen Koalition das Zusammenarbeiten mit der Deutschen Volkspartei wirklich nicht leicht gemacht hat, wenn man die Intransigenz der Deutschen Volkspartei jetzt bei der Frage der Arbeitslosenversicherung als dem letzten Streitobjekt schon in Anbetracht der Kleinheit dieses Objektes nicht weniger als großartig findet - so bleibt unabweisbar, daß gerade darum die sozialdemokratische Fraktion dem gestern schließlich gefundenen Kompromiß hätte zustimmen müssen, um Größeres, Wichtigeres zu wahren. Der Gewerkschaftsflügell der Sozialdemokratie hat vor lauter Fachlich-Speziellem die Politik nicht gesehen... Es ist seit langem deutlich, daß im Zentrum und noch mehr in der Deuschen Volkspartei starke Kräfte am Werke sind, um die innere deutsche Politik, vor allem in den wirtschaftlich-sozialen Fragen, stärker nach rechts zu führen. Nämlich nach rückwärts, weg von der Entwicklung der letzten zehn Jahre. Doch sind bisher diese Kräfte noch einigermaßen gebunden gewesen...
Die Volkspartei hat es eilig gehabt, aus dem törichten Beschluß der sozialdemokratischen Fraktion sofort ein fait accompli zu machen. Die Entwicklung soll nach rechts. Und das, worauf im Augenblick alle Aufmerksamkeit und alle Kraft zu konzentrieren ist, kann nur noch sein, daß vor allem die Demokratie und ihre Verfassung dabei nicht Schaden erleiden. Die künftige Regierung, wie sie auch aussehen möge, muß aus Männern bestehen, die die Verfassung zu wahren entschlossen sind und sich auf Parteien und Gruppen stützen, die dafür ihrerseits Gewähr leisten... Da hat man ein Problem der Verfassungstreue, das unmittelbar akut ist. Darüber hinaus: die parlamentarische Demokratie hat gestern eine Schlappe erlitten, schon droht für die Steuerreform der Artikel 48 - wir dürfen nicht ins Schlittern kommen.
Frankfurter Zeitung, Nr. 235 vom 28. 3. 1930
Neuere Dokumente zeigen, daß in den Kreisen um den Reichspräsidenten von Hindenburg lange vor Eintritt der Wirtschaftskrise Planungen für ein vom Parlament unabhängiges „Präsidialkabinett" und die Wiedereinführung der Monarchie entwickelt worden waren.
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