Friedrich Stampfer: Hindenburg wird Reichspräsident (1925)
Wie in den Septembertagen des Jahres 1914, so war jetzt wieder der Name Hindenburg in aller Munde...
In seinen Memoiren nennt er sich selber „eine unpolitische Natur". „Betätigung innerhalb der Gegenwartspolitik widersprach meinen Neigungen. Vielleicht war hierfür mein Hang zu politischer Kritik zu schwach, vielleicht auch mein soldatisches Gefühl zu stark entwickelt... Ich hatte die Empfindung, als ob die diplomatische Beschäftigung wesensfremde Anforderungen an uns Deutsche stellt." Daß er nach diesem Bekenntnis zum höchsten politischen Amt der Republik präsentiert wurde und selber Kandidatur und Amt annahm, gehört zu den großen Grotesken der Weltgeschichte ... Schon im selben Frühjahr klagte Stresemann in seinem Tagebuch: „Es ist doch außerordentlich schwer, mit dem Reichspräsidenten über das verwickelte Gebiet der Außenpolitik zu diskutieren." Aber doch glaubte er, mit ihm auskommen zu können, nur freilich: „Die Hauptsache ist, daß nicht unkontrollierbare Leute Einfluß auf ihn gewinnen."
Als den Retter hatten ihn die Plakate gepriesen. Als den Retter hatte ihn jener Teil des Volkes geholt, der nur von Monarchie und Diktatur das Heil erwartete und für den die sechs Jahre Ebert nur eine unbequeme Unterbrechung ihrer bequemen Gewohnheit gewesen waren. Aber als der Retter kam, war die Rettung schon vollbracht...
Ebert hatte auf harten Brettern geschlafen, Hindenburg kam i n eingutgemachtes Bett. Kaum daß er seine neue Residenz bezogen hatte, so fand er auch, daß dort nichts oder wenig zu ändern war. Allerdings wurden die Repräsentationsgelder wesentlich erhöht, die fast kleinbürgerliche Haushaltung des ersten Präsidenten wurde aufgelöst, und ein kleines Hofleben begann. Es gab wieder Diener mit Escarpins und Schnallenschuhen, und wenn Empfang war, erschien zunächst ein buntbetreßter Zeremonienmeister und kündete mit dreimaligem Aufschlagen seines langen Stabes das Kommen des Reichsoberhauptes an... Die Rechte hatte mit den Mitteln der Demokratie gesiegt und war zufrieden.
Die politisch ungebildeten, gläubigen Massen, die bei den Wahlen den Rechtsparteien nachliefen, hatten nun wieder eine Stelle, zu der sie vertrauensvoll emporblicken konnten. Dort saß jetzt nicht mehr ein ehemaliger Sattlergehilfe, sondern, wie es sich gehört, ein adeliger Herr in Uniform und Ordenssternen, einer, der seine Sache noch besser machte als einst Wilhelm IL Die Republik mit Hindenburg an der Spitze anstatt der Monarchie mit dem zweiten Wilhelm, war gar kein so schlechter Tausch. Die Republikaneraber und die Arbeiter sahen mit Staunen, daß die Republik sich befestigt und alles seinen ordentlichen Weg ging.
Stampfer, Die ersten 14 Jahre der Deutschen Republik, S. 4S4 ff.
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