Von der Goltz-Greifswald, Lebenswege und Berufe für den Adel in der Gegenwart, in: Neue Preußische (Kreuz-)Zeitung von 1925:
Längst sind die Zeiten vorbei, da der Adel eine vor anderen Ständen priviligierte Klasse war. Was ihm die Revolution unserer Tage genommen, war nur der königliche Schutz seines alten Namens. Wir wollen in der königlosen Zeit gern das Schicksal unseres Königshauses teilen, mit dem wir durch eine jahrhundertelange Geschichte eng verbunden waren. Was uns aber niemand nehmen kann, das ist unsere völkische Pflichterfüllung auf Grund unserer ruhmvollen, mit der Entwicklung unseres Vaterlandes eng verbunden Geschichte.
Die Bedeutung des Adels in der deutschen Geschichte, insbesondere in der preußischen, beruhte auf drei festen Säulen: der Familie, dem Grundbesitz und dem Staatsdienst. Ähnliches findet sich natürlich auch im Bauernstande und im städtischen Bürgertum. Aber die enge Verbindung mit dem Staats- und Heeresdienst ist insbesondere unserem Adel eigentümlich... Das mühelose Erben eines alten Namens oder eines alten Besitzes hat gar keinen Wert mehr. Nur wo die ererbten sittlichen Kräfte eines Geschlechtes sich in der Gegenwart durch hervorragende Arbeit auswirken, bleibt auf die Dauer der Wert und Besitz einer Familie erhalten. Es war daher eine durchaus gesunde Entwicklung in dem letzten Jahrhundert, daß da, wo nicht mehr der alte väterliche Besitz erhalten und gepflegt werden konnte, sich auch die Lebenswege und Berufe erweitert haben, in denen der Adel dem Vaterlande und dem Gemeinwohl diente. Es finden sich heute Gelehrte und Künstler, Geistliche und Beamte, auch Ärzte, Ingenieure und Techniker in großer Zahl, die den alten Geschlechtern entstammen... Der Heeresdienst, der über 300 Jahre, besonders in Brandenburg-Preußen, der eigentliche adlige Beruf war, ist zurzeit so eingeschränkt und in so eigentümliche Verhältnisse verflochten, daß es hier vielleicht gerade den Angehörigen des Adels schwerer gemacht ist als anderen, einen gesicherten Lebensberuf zu finden. Auch der Staatsdienst ist in der Republik kein gesichertes Arbeitsfeld mehr. Wenn früher vielleicht häufiger, als es gut war, adlige Geburt einen Vorzug bedeutete, will sie jetzt als ein Nachteil erscheinen... Jede tüchtige Arbeit adelt natürlich und keiner von uns soll sie verachten, aber der ideale Grundgedanke, dem Volksganzen, dem Staate allein zu dienen, ist beeinträchtigt durch die Nebengedanken des Verdienens für sich selbst. Nach dieser Richtung weisen jedenfalls nicht die alten Überlieferungen unserer Familien.
zit. nach: Deutsche Sozialgeschichte 1914-45, hg. von W. Abelshauser u. a., München 1985, S. 93-97
Anfragen zu Reproduktionen in hoher Auflösung und druckfähige Vorlagen erhalten Sie von der unter Bestand/Sign. genannten Einrichtung.