3.3. Unternehmer, Gewerkschaften und Sozialpolitik
„Das industrielle Unternehmertum Deutschlands in der Nachkriegszeit." Aus einer Rede des rheinischen Braunkohlenindustriellen Paul Silverberg auf der Tagung des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (RDI) am 6.9.1926 in Dresden: (Dresdener Rede)
Die politische Revolution, mit der nach dem Kriegsverlust die Nachkriegszeit anfing, wurde sehr bald zu einer wirtschaftlichen und sozialen Revolution. Das deutsche Unternehmertum, bis zum Kriege und von einzelnen abgesehen auch im Kriege, politisch indifferent, jedenfalls nicht aktiv, sah sich plötzlich als Objekt des politischen Kampfes. Es sah als seine unmittelbaren Gegner die revolutionäre Arbeiterschaft und den von ihr beherrschten Staat. Es hatte einen Kampf um seine Existenz nach vielen Seiten zu führen: Gegen die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung, von der es gleichermaßen mit dem ganzen Volke getroffen wurde, dazu gegen die den Staat repräsentieren den revolutionären Regierungen. Gegen sie in ihren auf Sozialisierung und Gemeinwirtschaft hinzielenden Tendenzen mußte es um seinen Besitz und die Grundlage seiner Existenz den Kampf führen.
... es ist von ganz besonderem Interesse festzustellen, daß die politische Not des gesamten Volkes - ich nenne Reparationsfrage und Ruhrkampf - und damit die Außenpolitik es waren, die Unternehmertum und nachrevolutionäre Regierungen zu aktiver Zusammenarbeit für den Staat brachten. Und trotz aller besonderen neuen Schwierigkeiten und Kritiken am Tun oder Unterlassen hatte diese Zusammenarbeit das gute Ergebnis, daß die Einstellung des Unternehmertums auf den heutigen Staat auf eine klare Linie gebracht worden ist:
Das deutsche Unternehmertum steht heute restlos auf staatsbejahendem Standpunkt.
Es mag der eine oder der andere noch mehr oder weniger beeinflußt von Ressentiments mehr persönlicher Art sein: Alle ernsthaften und pflichtbewußten Menschen haben sich auf den Boden des heutigen Staates und der Reichsverfassung gestellt: der Reichsverfassung, die in allen Bestimmungen, mögen sie uns gefallen oder nicht gefallen, Respekt erheischt, aber, das sei aber auch aller Öffentlichkeit gesagt, mit allen den Bestimmungen, die ihre Änderung in manchen gewollt oder ungewollt unklaren Punkten vorsehen. Ebenso wie das deutsche Unternehmertum alle die extremen Elemente rechts und links ablehnt, deren offenes oder geheimes Ziel die verfassungswidrige, gewaltsame Änderung der Reichsverfassung darstellt, so lehnt das deutsche Unternehmerturn auch diejenigen Verteidiger der Republik ab, die in der Verfassung heute noch vornehmlich ein Instrument wirtschaftsrevolutionärer Ziele sehen...
Man sagte einmal, es kann nicht gegen die Arbeiterschaft regiert werden. Das ist nicht richtig: es muß heißen: nicht ohne die Arbeiterschaft regiert werden. Und wenn das richtig ist, muß man den Mut zur Konsequenz haben, es soll nicht ohne die Sozialdemokratie, in der die überwiegende Mehrheit der deutschen Arbeiterschaft ihre politische Vertretung sieht, regiert werden. Die deutsche Sozialdemokratie muß zur verantwortlichen Mitarbeit heran... Wenn eine soziale Demokratie sich auf den Boden der Tatsachen stellt, den radikalen Doktrinarismus und die immer zerstörende, nie aufbauende Politik der Straße und der Gewalt ablehnt, wird sie zusammen mit dem Unternehmertum und unter seiner Führung Deutschland und die deutsche Wirtschaft wieder zu Erfolgen und zur Blüte führen.
Zit. nach: Franz Mariaux, Paul Silverberg, Reden und Schriften, Köln 1951, S. 49-69
Zum politischen Wirken von Paul Silverberg in der Weimarer Republik siehe: Reinhard Neebe, Großindustrie, Staat und NSDAP 1930-1933. Paul Silverberg und der Reichsverband der Deutschen Industrie in der Krise der Weimarer Republik, Göttingen 1981
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