Das Ende der Monarchie in Deutschland wurde durch die Weigerung der Kieler Matrosen eingeleitet, zu der von der Marineleitung eigenmächtig angeordneten letzten „Todesfahrt" gegen die englische Flotte auszulaufen. Die am 30. Oktober beginnenden Unruhen griffen von den Küstenstädten bald auf Berlin über, wo die sich spontan konstituierenden Arbeiter- und Soldatenräte als wichtigste politische Forderung die Abdankung des Kaisers erhoben.
Die Revolution in Berlin am 9. November1918. Augenzeugenbericht von Friedrich Glum:
Am Vormittag des 9. November bummelte ich durch die Hauptstraßen, die Linden und die Wilhelmstraße. Endlose Züge von Arbeitern und Arbeiterinnen bewegten sich, von Süden kommend, durch die Stadt. Sie trugen Schilder ihrer Fabriken: Schwartzkopf, Borsig, Knorrbremse usw. Sie trugen weder Fahnen, noch sangen sie. Sie kamen mit ruhigen und langsamen Schritten. Sie hatten nichts Wildes, Revolutionäres in ihren Zügen. Es waren Väter und Großväter, Mütter und Töchter, Arbeiter, die nichts anderes wollten als Frieden. Aber in ihrem Tritt lag etwas Zwingendes. Der Krieg hatte aufzuhören. Die große Masse war auf die Straße gegangen, um dies zu demonstrieren. Man sah wenig Schutzleute und so gut wie kein Militär. Gegen Mittag wurden 10 Extrablätter verteilt, in denen der Prinz Max von Baden die Abdankung des Kaisers1 und des Kronprinzen2 bekanntgab und mitteilte, daß er sein Amt demAbgeordneten Ebert übergeben habe. Ich kehrte in das Landratsamt zurück. Als ich dies kurze Zeit darauf verließ, um nach Hause zu fahren und meine Frau zu benachrichtigen, sah ich, wie die Soldaten unseres Jägerbataillons ihre Gewehre in den Landwehrkanal warfen. Für sie war der Krieg zu Ende...
Arbeiter- und Soldatenräte wurden überall in Deutschland auf allen Ebenen, lokalen, städtischen, staatlichen, gebildet, auch zum Teil an der Front, die Offiziere des Kriegsministeriums wurden auf der Leipziger Straße insultiert, es wurden ihnen die Achselstücke abgerissen. Überall fuhren in offenen Autos Soldaten und Matrosen zusammen mit ziemlich übel aussehenden Zivilisten mit roten Kokarden an der Mütze und roten Fähnchen bewaffnet durch die Straßen, Flugblätter der verschiedenen Räte wurden verteilt, es gab einen Rat der Deserteure, auch einen Rat der Prostituierten. Verrückte Forderungen bis zu der Sozialisierung der Frauen wurden erhoben. Kurz gesagt: es schien ein ziemliches Chaos zu herrschen. In Nikolassee wurde eine Bürgerwehr gebildet, um das Wasserwerk zu schützen, an der ich mich auch beteiligte.
Am Sonntag hatte sich das Bild gegenüber dem des Vormittags des 9. November insofern verändert, als man die damals vereinzelt auftauchenden revolutionären Autos nun überall sah. Die Matrosendivision hatte ihr Hauptquartier im Marstallgebäude gegenüber dem Kgl. Schloß, zum Teil auch im Schloß selber, und man sah an vielen öffentlichen Gebäude Einschußstellen im Putz von Gewehren und Maschinengewehren. Der größere Teil der Bevölkerung aber ging spazieren, um sich anzusehen, inwieweit sich die Stadt verändert hatte...
Friedrich Glum, Zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Erlebtes und Erdachtes in vier Reichen, Bonn 1964, S. 176, S. 186f.
1Wilhelm II. (1859-1941) s. Kurzbiographien im Anhang - 2 Wilhelm (1882-1951) s. Kurzbiographien im Anhang
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