Wilhelm Grimm berichtet Clemens Brentano im Oktober 1810 von dem schwierigen Geschäft, sich als Erwachsener von einer alten Frau Märchen erzählen zu lassen.
Lieber Clemens!
Die Sendung der Märchen ist etwas durch meine Reise verzögert worden. Ich wollte mir in Marburg von der alten Frau [die Clemens Brentano schon besucht hatte] alles erzählen lassen, was sie nur wüßte, aber es ist mir schlecht ergangen. Das Orakel wollte nicht sprechen, weil die Schwestern im Hospital es übel auslegten, wenn es herumging und erzählte, und so wäre alle meine Mühe verloren gewesen, hätte ich nicht jemanden gefunden, der eine Schwester des Hospitalvogts zur Frau hat und den ich endlich dahin gebracht, daß er seine Frau dahin gebracht, ihre Schwägerin dahinzubringen, von der Frau ihren Kindern die Märchen sich erzählen zu lassen und aufzuschreiben. Durch so viele Schachte und Kreuzgänge wird das Gold erst ans Licht gebracht. Einiges davon bekommen Sie schon; was noch mehr anlangt, soll gleich an Sie gefördert werden. Der Mann ist ein Mathematicus und hat einen frühern Brief, der deshalb an ihn geschrieben war, wie er endlich gestand, für einen "beliebigen Scherz" an ihm gehalten. Ich habe ihm gesagt, daß diese Volkstraditionen tief in die Mythologie und Geschichte eingingen, und davon überzeugt, und weil er gern seinen früheren Fehler verbessern will, hat er mir seinen ganzen Eifer versprochen.
[Sein Bruder Jacob fügte folgende kurze Nachricht hinzu:]
hierbei erhalten Sie versprochenermaßen alles, was wir von Volksmärchen gesammelt, zu beliebigen Gebrauch. Nachher senden Sie uns wohl gelegentlich die Papiere wieder. Wie Sie sehen, hat Wilhelm in Marburg wenig bekommen, nur die zwei letzten, worunter doch das vorletzte sehr hübsch und merkwürdig.
aus: Schnack, Ingeborg: Marburg. Bild einer alten Stadt, Honnef/Rhein 1961, S. 461 f.
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