Der abgefangene Brief eines Soldaten an seine Eltern, in dem er auch über den Verlauf des Krieges berichtet, ist der Anlaß, daß man seine hessischen Verwandten und deren Verhalten überwacht. Ein Grundbesitzer teilt einem Pfarrer seine Beobachtungen über die revolutionär denkenden Landarbeiter mit und bittet ihn, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Ein abgefangener Brief eines Soldaten (1794)
Innigst vielgeliebter Vatter und Mutter, Bruder und Schwäster,
Eure Schreiben von 8tn Juny 94 habe ich Richtig erhalten und daraus ersehen, daß ihr Noch Frisch und gesund ward, Welches mir alle mahl eine Rührende Freude ist. Waß mich angehet so bin ich Gott sey dank Noch Frisch und gesund. Liebe Eltern, die wurst und daß Peifenrohr habe ich Richtig erhalten, wofür ich mich viel tausendmahl thu bedancken. Liebe Eltern, die Neuigkeit ist, daß wir schon 5 tage geretteriert sind und wir unsere Retterade vieleicht nehmen Müßen Bis an den Reyhn, aber die Franszoßen kommen vielleicht eheder dahin als wir, denn wir haben nur Noch einen paß zu paßieren und die Franszoßen haben sich Links und Rechts um uns her gezogen. Liebe Eltern, Wir glauben daß die Retterade mit guden Ackorte zu gehet. Wie es hier heist, so sollen wir den Reyhn [Rhein] besetzen, und wie es hier heist, so wird es mit diesen Kriege bald ein ende haben und wir vieleicht die Christage zu haus bey euch sein Werden. Aber wie es den Herren noch mit den Kriege wird ausfallen, da können wir noch nicht von urtheilen. Liebe Eltern, unsere lieben Heßen die sind hir in diesen Kriege sehr verloren gegangen, Erstens hat daß Leib Regiement die halbscheid verloren und daß Regiement Prins Carl und Loßberg und Erbprins sind in Ippern gefangen genommen.
Weiter weis ich vor dies mahl nichts mehr zu schreiben, als ich laß meinen Bruder Jacob wie auch Schwiegerin und Kinder, wie auch meinen Bruder Johann Frau und Kind wie auch meinen Schwieger Vatter zu Zwergen wie auch meinen patten und Kinder auch Vetter Neuman Frau und Kinder wie auch an Hrn Schulmeister gantze Familie wie auch an Hrn. Rentmeister wie auch Hrn. posthalter und Frau auch Berhart Meier Frau und Tochter auch laße ich alle die guten Freunde und Bekanten alle wieder viel tausendmahlen grüßen, die mir in meinen Briefe haben grüßen laßen und alle die nach mir fragen und kennen. Weiter weis ich vor dies mahl nichts mehr zu schreiben als ich laß Vatter und Mutter Bruder und Schwester viel 1000 mahl grüßen und bin und verbleibe euer treuer anwesende bis in den thodt
Martins Alhart
geschrieben in Lager bey Machelm den 4 tn July 1794
Lieber Herr Pfarrer!
Ich gehe heute frühe ins Feld, um nach meinen Leuten zu sehen und stoße unvermuthet auf einen Trupp Schnitter, welche einen großen Lärm anführten, und durch den Moritz Ahlhart alhier auf die empörendste Art unterhalten wurden, oder ihm Beifall gaben. Ich erstaunte und traute kaum meinen Ohren, die Rede war - Wunsch - daß die Franzosen bald kommen möchten, um alles gleich und recht zu machen. Man wurde meiner gewahr und schwieg. Ich ging drauf zu, und sagte: Die Rede war ja wohl hier von den Franzosen? - Ja! antworteten sie. Und daß solche bald kommen, und alles gleich und recht machen möchten? Ja! antworteten sie - sie wünschten, sie verlangten nach Ihnen. Namentlich Henrich Berendt sen. nebst seiner Frau. Ich rufte den Nicolaus Breitenbach deßen Frau und Tochter zu Zeugen auf - ob solche zwar auch mit beigestimmt haben mochten; und sagte ferner: Ihr seyd schlechte untreue Unterthanen, da Ihr wünscht, indem unser Landesherr alle Kräfte aufbietet, mit selbsteigener Aufopferung uns das Unglück abzuwenden. Zum Hen. Berndt sagte ich noch dieß: Euch hätte ich vor klüger gehalten, etwas habt Ihr doch noch zu verlieren, als daß ihr jenen sanscullotten Ahlart beipflichtet. Wollt Ihr also, daß wir alle keine Hose mehr ans Leib ziehen können wie, jener und jene, mithin alle gleich und Bettlers werden sollen? Thut recht, dann wohnt ihr unter Gesetz und Obrigkeit, sicher und wohl.
Dem Vernehmen nach, ist ein gewißer Jacob Ahlhart alhier, der sich vom 2ten Depot-Bataillon losgeschwätzt hat, noch viel weiter in dergl. Austrücken gegangen, er wünscht auch, daß die Franzosen kommen, alles nehmen und alles gleich machen möchten. Desgleichen auch Johs. Strippelmann räsonniert hat bei öffentl. Gemeinde und bei publication der Zehendverordnung, wogegen sie sich hauptsächlich streuben. Da dieser Johs. Strippelmann vorhin [...] Kuhhirte, modo Unterofficius beim Landausschuß so wie alle vorbenannte Leute, von dem Schlag sind, daß solche keine Güter an ihr Vaterland feßelt; gefährlich werden könnten, ja zu Empörungen Anlaß geben möchten, so mache Ihnen dieß bekannt, damit Sie in diesem betrübten Zeiten auf die räudigen Schaafe ihrer Gemeinde Acht haben, damit etwan gewißes Unglück vermeiden werde, und um von diesem Wink, Gebrauch zu machen.
Auch dem Greben hab ichs gesagt - und wie er zu den Wiedersetzlichkeiten gegen die Zehndverordnung, so wie das räsonnieren beim öffentl. Glockenschlag, Schweigen kann? Gerade war der Amtsactuarius Döhne von Zwerenberg bei Ihm. Ich weiß nicht, was man anfängt - die sansculotten scheuen sich fast nicht mehr, wenn ihre nur nicht zuviel beim Landausschuß sind, sondern Leute, die Eigentum ans Vaterland feßelt, jenen traue ich wenig. Auch ist mein herzlicher Wunsch dieser - daß man zum Landausschuß alle Männer bestimmt haben möchte, daß man solche aber in 2 Divisionen getheilt; und einander im Dienst ablösen ließe. Wenn die Unbegüterten marschieren sollen, so fürchte ich viel Unordungen.
Ich habe Ihnen in der größten Zerstreuung, mit Ärgerniß und Zittern dieß geschrieben, denn eins glaubte ich, daß man mir, der ich die Gnade habe, von unserem Gnädigsten Landesherrn ein Patent zu tragen, so was unter die Augen sagen würde.
von Hauß 31. July 1794 L. F. Haurath
StAM Best. 17 II, 1898 [Prozeßakten]
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