Der Bericht des Hersfelder Pfarrers Balthasar Raida an den Landgrafen Philipp über die Entwicklung Georg Witzels aus dem Jahr 1538 gibt einen guten Einblick in die Anfangsjahre der Reformation.
Aus dem Gutachten über Georg Witzel vom 5. November 1538
Durchlauchter, hochgeborner Fürst, gnädiger Herr. Nachdem E.F.G. von mir begehren, daß ich E.G. wohl zu erkennen geben, wie sich Jorge Witzel im Leben, Lehren, Wandel und Wesen gehalten und in was für Artikeln er irrte, darauf gebe ich E.F.G. diesen Bericht:
Zu Vacha etliche Jahre vor dem Aufruhr [dem Bauernkrieg] hab ich Jorge Witzel erstlich kennengelernt, da ist er ein Vicarius oder Meßpfaffe gewesen, hielt sich (wie der Papisten Gewohnheit war) zu bösen, gemeinen Weibern; etliche bezahlten sich selbst, nahmen ihm die Kleider und gingen damit davon.
Da aber Doctor Martinus Luther anfing zu schreiben und zu predigen, gefiel ihm das Wort der Gnaden Christi sehr wohl, und er wurde ein großer Eiferer, half und riet mit allem Fleiß, die Lehre Christi auszubreiten, die Menschenlehre und Papisterei zu zerstören; er half und riet, daß Manns- und Weibspersonen das Klosterleben verließen und sich in ehelichen Stand begaben; er schrieb auch viele Briefe an die Mönche und Nonnen in den Klöstern, wo er Bekanntschaft hatte [...].
Also verließ Jorge Witzel sein Vicariat gegen den Willen seines Vaters, und Doctor Straus machte ihn zum Prediger zu Wenigenlupenitz und gab ihm eins Bürgers Tochter aus Eisenach, ein feines, frommes Kind. [...]
Jorge W. war immer noch ein großer Eiferer und den papistischen Zeremonien Feind, hätte alles gerne beseitigt, dabei eiferte er auch hart um ein gutes, christliches Leben und strafte die öffentliche Sünde und Laster hart. [...]
Als auch Thomas Müntzer zu Mühlhausen seine Schwärmerei anfing, gefiel uns das beiden nicht, sondern (ohne Ruhm zu reden) ich zu Grossenberingen und Jorge Witzel zu Wenigenlupenitz warnten unser Pfarrkinder vor seiner Lehre. [...] Da war uns Müntzer feind, schalt uns Suppenprediger, geile Weichenfresser, der Fürsten Heuchler und, als er auszog, vergaß er uns nicht und drohte, uns beiden die Köpfe abzuschlagen. [...] Wie aber Witzel in dem Aufruhr durchgehalten hat, weiß ich nicht eigentlich. Ich glaube aber, daß er durch falsche Zungen sehr verlogen und verunglimpft worden ist, daß etliche ihn lieber tot als lebendig gesehen hätten, aber er entlief, und Gott half ihm davonzukommen.
Von der Zeit an ist Jorge Witzel der Wittenbergische Lehre, des Lebens und Wandels höchster Feind, denn er spricht, der Luther habe ihm solches zugeschickt. Weil er sich aber gerne gerächt hätte [...], so wandte er sich gen Vacha in sein Vaterland. Zu Vacha schrieb er an jedermann Briefe, sang und sagte vom Luther und hätte ihm jedermann gerne zu Feinde gemacht, hielt sich wieder zu den Papisten, sagte, ihre Dinge seien nicht so böse, wie es Luther mache; er schrieb auch dabei Bücher, aber niemand wollte sie drucken; und soviel er zuvor geeifert hatte um das Evangelium und Luthers Lehre, so hart und noch mehr eiferte er nun dawider mit Reden, Schreiben, Lästern. [...] Ich weiß aber nicht, ob ihm der Amtmann das Land verboten hat oder wie er sonst hinwegkam und ein Nest bei dem Grafen Mansfeld gefunden hat, wo er noch ist. [...]
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