Nachdem auf dem Wiener Kongreß den Fürsten die Einführung "Landständischer Verfassungen" empfohlen worden war, wagten auch die Bauern im Kurfürstentum Hessen im Jahre 1816, ihre Wünsche zu formulieren.
Bittschrift der Bauern vom Jahre 1816
Nothgedrungene Wünsche, welche die unterzeichneten Bauern am Diemelstrome ihren zum jetzigen Landtage erwählten Herren Deputierten zur Beherzigung vorlegen.
Da unser gnädigster Landesherr seine getreuen Stände wieder zusammen berufen hat, um mit ihnen die Noth des Landes zu berathen, und ihr - wenn es angeht - abzuhelfen: so nehmen wir uns die Erlaubniß, unserm zum jetzigen Landtage erwählten Herren Deputierten, und besonders dem Herrn Schulz, als Director der Curie des Bauernstandes, folgende Begehren nahe an das Herz zu legen.
Die Abgaben, welche wir entrichten müssen, sind unerträglich schwer. Die Franzosenzeiten waren schlimm, aber die jetzigen sind, wenn man alles geben zusammen rechnet, noch schlimmer, und wenns nicht unser lieber Kurfürst wäre, der ein Hesse ist, so gut wie wir, so hätte das Land nicht so lange stille geschwiegen.
Denn Geld wird gefordert ohne Aufhören, und doch ist kein Handel, kein Erwerb, und ist das Geld erst einmal aus unseren Händen, so kommt's nimmer wieder.
Wir wissen wohl, daß wir schuldig sind, dasjenige zu geben, was zur Erhaltung des Staates nöthig ist, und gern wollen wir dies thun, so lange es nur möglich ist, aber das ist eben das Unglück, daß wir nicht wissen, wie viel das Land eigentlich braucht. Da indeß unser allergnädigster Kurfürst seine Landstände hat zusammen kommen lassen, um mit ihnen über den Haushalt des Landes zu sprechen, so wird hoffentlich nun jeder erfahren, was nöthig ist, und was zu viel.
Das, hofften wir schon, würde beim ersten Landtage geschehen, da es aber nicht geschehen ist, sondern seit der Zeit die Lasten nur noch größer geworden sind, so bitten wir unsere Herren Deputierten:
1. ins reine zu bringen, was von dem vielen Gelde, welches das Land Hessen - wie man sagt - ausstehen hat, dem Lande zu gute kommt, oder, was von dem Staatsvermögen, das wir bereits haben, dem Lande, und was unserem Landesfürsten gehört. - Ist dies im reinen, so bitten wir
2. zu untersuchen, d.h. in welche Casse das viele Geld, das wir jährlich geben müssen, fließt und wozu es verwandt wird, und alsdann hiernach
3. Mittel und Wege aufzusuchen, wodurch die jetzt bestehenden Abgaben können gemildert, und auf einen erträglichen Fuß gesetzt werden. Damit indeß alsdann bestehende milde und billige Besteuerung nicht nach Belieben können abgeändert werden, so bitten wir unsere Herren Deputierten, daß sie
4. dahin sehen mögen, daß eine feste Verfassung dem Lande möge gegeben werden, wo ohne Genehmigung der Landstände nichts darf gefordert und aufgelegt werden - weil es recht und billig ist, daß derjenige, welcher geben soll, auch gefragt werde, wie viel er geben kann.
Dies sind, so viel wir bis dahin einsehen, unsere Wünsche, unser nothwendiges Begehren. Wir hätten gar nicht gesprochen, wenn's zu tragen wäre, aber es ist zu arg, und es thut uns leid, daß unser guter Landesfürst bei den Leuten im Lande an Liebe verliert, weil er bösen Rathgebern das Haus nicht verbietet.
Darum bitten wir unsere Herren Deputierten, daß sie frei die Wahrheit sagen und nicht hinter dem Berge halten, denn wir Hessen meinen's ehrlich mit Fürst und Vaterland, und wünschen, daß die alte Ordnung im Lande, und die alte Liebe zum Fürsten wieder kommen möge. Dann ist uns allen geholfen.
Wir verbleiben ihre getreuen
[Es folgen 79 Unterschriften.]
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