Martin Luther, Kurzes Bekenntnis vom Heiligen Sakrament, 1544 [Auszüge]
[...] Denn ich, der ich nun dem Tode nahe bin, will dieses Zeugnis und diesen Ruhm mit mir vor den Richterstuhl meines lieben Herrn und Heilands Jesus Christus bringen, dass ich die Schwärmer und Sakramentsfeinde Karlstadt, Zwingli, Oekolampad, Schwenckfeld und ihre Jünger zu Zürich - und wo sie sonst noch sind - mit ganzem Ernst verdammt und gemieden habe nach seinem Befehl, Tit 3: Einen Ketzer sollst du meiden, wenn er ein- oder zweimal ermahnt worden ist. Wisse, dass ein solcher ganz verkehrt ist und sündigt als jemand, der einfach verdammt sein will. Sie sind oft genug, auch ernst genug, von mir und vielen anderen ermahnt worden - die Bücher liegen vor. Und wir predigen alle noch täglich gegen ihre lästerliche und lügenhafte Ketzerei, was sie sehr wohl wissen.[...]
Es ist wahr: Vor 15 Jahren sind Zwingli und Oekolampad und etliche von uns in Marburg zusammengekommen, und wir haben uns in den Marburger Artikeln miteinander verständigt, die sehr christlich sind, wie es die gedruckte Fassung auch bezeugt. Aber im Artikel vom Sakrament stockte es. So gingen wir auseinander, wollten aber ansonsten gute Freunde sein, damit das scharfe Schreiben gegeneinander ruhen möge. Vielleicht würde Gott mit der Zeit durch unser Gebet auch hierin ein übereinstimmendes Verständnis geben. Meine Hoffnung war ziemlich groß, dass sich mit der Zeit Einigkeit auch in diesem Artikel finden würde, da Zwingli und die Seinen in so vielen wichtigen Artikeln nachgegeben hatten. Und so kam es zwischen uns etliche Jahre lang zu einer Pause im Gegeneinanderschreiben.
Indes wurde Zwingli von der Gegenpartei der Papisten auf dem Schlachtfeld jämmerlich erschlagen, und Oekolampad war viel zu schwach, um dieses Unglück ertragen zu können, und starb vor Leid darüber. Dies tat dann mir selbst zwei Nächte lang so leid, dass ich leicht auch hätte sterben können. Denn ich hatte gute Hoffnung auf ihre Besserung, musste mich nun aber um ihre Seele aufs Höchste sorgen, weil sie noch im Irrtum versunken und demzufolge in Sünden verstorben waren.
Aber nach dem Tod Zwinglis wurde eine Schrift, die er kurz vor seinem Ende geschrieben haben soll, unter dem Namen Christianae fidei expositio ad Christianum Regem veröffentlicht. Diese Schrift sollte alle seine vorigen übertreffen. Dass es seine, nämlich Zwinglis Schrift, sein musste, gaben die Art seiner wilden, wüsten Reden und seine altbekannten Meinungen zu erkennen. Über diese Schrift erschrak ich sehr, nicht um meinetwillen, sondern um seinetwillen. Denn weil er nach unserer Versöhnung in Marburg diese hat schreiben können, ist es gewiss, dass er in Marburg uns gegenüber alles mit falschem Herzen und Mund verhandelt hat; und ich musste - wie ich es auch jetzt noch muss - an seiner Seelen Seligkeit verzweifeln, wenn er in dieser Gesinnung gestorben ist, ungeachtet dessen, dass ihn seine Jünger und Nach-kommen zum Heiligen und Märtyrer machten. Ach Herr Gott, der Mann ein Heiliger und Märtyrer! [...]
Also gingen wir in Marburg, wie gesagt, in der Hoffnung auseinander, sie würden mit der Zeit völlig mit uns übereinstimmen, weil sie alle christlichen Glaubensartikeln anerkannten und sich auch in diesem Artikel vom heiligen Sakrament von ihrem vorigen Irrtum, dass es nur einfaches Brot wäre, abwandten.
Weil dies nun durch das Wirken des Teufels nicht eingetroffen ist und ich gehörig betrogen worden bin - wie ich auch aus der Schrift, die nach dem Tode Zwinglis veröffentlicht wurde, merken musste, dass er nach dem Kolloquium schlimmer als zuvor geworden war und gewiss in Marburg nicht ehrlich mit mir umgegangen ist -, werde ich gezwungen, keine Gemeinschaft mehr zu halten mit irgendeinem Schwärmer, er heiße Schwenckfeld, Zwingli, Oekolampad, Karlstadt oder wer sonst noch zu ihnen gehört - den Schwärmen, Brotfressern und Weinsäufern, also den Lästerern und Feinden Christi; vielmehr darf ich weder ihre Briefe, Bücher, ihren Gruß und Segen, ihre Schriften, ihre Namen noch die Erinnerung an sie in meinem Herzen behalten, sie auch nicht sehen oder hören.
Denn weil ich mir meiner Sache sicher bin und ihr eigenes Gewissen gegen sie bezeugen muss, dass sie Unrecht haben und Gott lästern, will und kann ich fröhlich vor meinem lieben Herrn Jesus Christus am jüngsten Tage sagen: Herr Jesus, ich habe sie treu gewarnt und ermahnt; außerdem überführt sie ihr eigenes Gewissen, das müssen sie vor dir bekennen; das weißt du, lieber Herr. [...]
Martin Luther, Deutsch-Deutsche Studienausgabe, Bd. 2 Wort und Sakrament. Hg. von Dietrich Korsch und Johannes Schilling Leipzig 2015, S. 805ff.
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