LUTHER und EUROPA
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Ratschlag Landgraf Philipps von Hessen an Herzog Albrecht von Preußen über die in seinem Lande hinsichtlich des Sakraments-Streites zu beobachtende Mittelstraße, Mittwoch nach Laetare, 18. März 1534
Hochgeborener Fürst, freundlicher lieber Onkel, Schwager und Bruder.
Wir haben Euer Schreiben erhalten, seinen Inhalt gelesen und verstanden. In Eurem Schreiben gebt Ihr, Euer Liebden, zu verstehen, dass sich in Eurem Hoheitsgebiet die Lehrmeinung der Zwinglianer zum Sakrament [des Hl. Abendmahls] bemerkbar macht, und Ihr bittet uns, Euch wegen der Behandlung derselben einen Rat zu geben.
Auch in den hiesigen Territorien hat die genannte Lehrmeinung begonnen sich bemerkbar zu machen. Damit diese strittige Angelegenheit beigelegt werde und es zu einer einträchtigen Verständigung komme, haben wir uns sehr viel Mühe gegeben. Es hätte auch diese strittige Sache zufriedenstellend beigelegt und geschlichtet werden können. Dann aber hat der Teufel, der niemals untätig ist wenn es gilt, solch gute Entscheidungen zu verhindern, seinen bösen Samen verstreut. Und es entstand ein solcher Hass zwischen den Anhängern der beiden Lehrmeinungen, dass die Einigung letztlich nicht vollzogen werden konnte.
Nun seid Ihr, Euer Liebden, von Gott dem Allmächtigen mit größerer Geisteskraft und mehr Verstand und Weisheit als wir es sind versehen. Deshalb ist es eigentlich nicht nötig, dass Wir Euch in dieser Angelegenheit beraten sollten. Andererseits wollen Wir Euch unser freundschaftliches Dafürhalten nicht vorenthalten.
Als sich diese [Zwinglische] Lehrmeinung in unserem Herrschaftsgebiet bemerkbar gemacht hat, haben wir uns folgendermaßen zu helfen gewusst: Wir haben unseren Pfarrern beider Richtungen befohlen, dass sie einander weder beschimpfen noch mit gehässigen und boshaften Worten angreifen sollten. Im Übrigen sollten sie das Evangelium unverfälscht und rein verkündigen. Wenn es notwendig wäre, auf der Kanzel vom Sakrament des Leibes unseres Herrn Jesus zu predigen, sollten sie das gemeine unverständige Volk ausschließlich über den Genuss des Abendmahls des Herrn belehren, nämlich dass im Abendmahl Leib, Fleisch und Blut Jesu Christi gegenwärtig seien und es im Glauben von der Seele empfangen werde, und über das, wozu der Genuss des Abendmahl des Herrn fernerhin dienlich sei. Und sie sollten den theologischen Disput darüber, wie und in welcher Gestalt der Herr [im Mahl] gegenwärtig sei, vor dem gemeinen Mann nicht ausbreiten. Denn es sei unnötig, etwas vor denen als Streitfrage zu behandeln, die es doch nicht verstehen, zumal dies eher Ärgernis als Gutes zur Folge haben werde.
So hat es der Allmächtige gnädig eingerichtet, dass in unserem Herrschaftsgebiet das Evangelium bisher unverfälscht und rein, in ruhigen Umständen und ohne Erregung von Zwiespalt und Ärgernis verkündigt worden ist und noch verkündigt wird.
Es wäre deshalb unserem Dafürhalten nach gut, wenn Ihr, Euer Liebden, Eure Prediger ebenfalls dazu anhalten wolltet, sowohl die besagte Ausbreitung theologischer Streitigkeiten vor dem gemeinen Mann zu unterlassen und allein vom rechten Gebrauch und Nutzen des Sakraments zu handeln als auch sich wechselseitiger Scheltworte und Schmähungen zu enthalten, und Ihr, Euer Liebden, so eine Mittelstraße zwischen den Lutherischen und den Zwinglischen beschrittet (denn Ihr, Euer Liebden, wisst wohl, welches die selbige ist). Wir wollen Euch, Euer Liebden, aber nicht verschweigen, dass dennoch eine solche Anschauung bei einzelnen noch verhasst ist.
Dies alles wollen Wir Euch, Euer Liebden, mit freundlichem Rat nicht verschweigen, und Wir sind geneigt und willens, Euch ferner freundliche Dienste zu erweisen.
Gegeben Kassel am Mittwoch nach Lätare. Im Jahr 1534
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