LUTHER und EUROPA
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Martin Luther an Kaiser Karl V., Friedberg, 28. April 1521 (Auszüge)
Gnade und Friede mit aller Untertänigkeit durch Christus Jesus unsern Herrn. Allerdurchlauchtigster und unüberwindlicher Kaiser, allergnädigster Herr! Nachdem Ew. kaiserliche Majestät mich unter öffentlichem sicheren Geleit nach Worms berufen haben, um meine Ansicht über die kleinen Schriften, die in meinem Namen veröffentlicht sind, zu erkunden, da bin ich in aller Demut vor Ew. kais. Maj. und dem ganzen Reich in allem gehorsam erschienen. Ew. kais. Maj. hat mir vornehmlich die Frage vorlegen lassen, ob ich die genannten Bücher für die meinen anerkenne und ob ich sie widerrufen oder darauf verharren wollte oder nicht? Da ich sie aber für die meinen erkannte (wofern nur von meinen Gegnern oder Klüglingen in ihnen nichts durch List und Tücke verkehrt oder verändert wäre), habe ich in aller Ehrerbietung und Demut erklärt, das wäre meine Meinung: Meine Bücher habe ich auf klare und deutliche Beweise der heiligen Schrift gegründet. Es stände mir nicht frei, noch wäre es billig und recht, noch könnte ich es auf irgendeine Weise fertigbringen, Gottes Wort zu verleugnen und meine Bücher auf diese Weise zu widerrufen. Demütig habe ich gebeten, Ew. kais. Maj. wollten unter keinen Umständen dulden, daß ich zu solchem Widerruf genötigt würde, sondern vielmehr darauf sehen, daß meine Bücher entweder von ihr selbst oder von anderen gleich welchen Stands, und seien es auch die Allergeringsten (wenn die es könnten), durchgesehen und die Irrtümer, welche angeblich darin sein sollen, aus der heiligen Schrift, d.h. den Evangelien und den Propheten, widerlegt würden. Mit christlicher Bereitwilligkeit habe ich mich erboten, wenn ich des Irrtums überführt würde, dann wollte ich alles widerrufen und der Erste sein, der meine Bücher ins Feuer werfen und mit Füßen treten wollte.
Über das alles hinaus ist von mir verlangt und gefordert, ich sollte einfältig und klar antworten, ob ich bereit sei zu widerrufen oder nicht? Darauf habe ich nochmals so demütig wie ich konnte geantwortet: Weil mein Gewissen durch die heilige Schrift, welche ich in meinen Büchern angeführt habe, gebunden sei, so kann ich ohne bessere Belehrung auf keine Weise etwas widerrufen. Darauf verhandelten etliche Kurfürsten, Fürsten und andere Stände des Reichs mit mir, ich solle meine Bücher zur Untersuchung und Beurteilung Ew. kais. Maj. und den Reichsständen übergeben. Darum bemühten sich bei mir der Kanzler zu Baden (Hieronymus Vehus) und Doktor Peutinger. Ich aber erklärte wie zuvor, nur wenn ich aus göttlicher Schrift oder einleuchtender Beweisführung anders belehrt würde (wollte ich gerne weichen). Endlich ist besprochen worden, daß ich einige ausgewählte Artikel dem Urteil eines allgemeinen Konzils überlassen und darauf vertrauen sollte. Aber ich, der ich allezeit und mit allem Eifer demütig bereit gewesen bin, alles zu tun und zu leiden, was mir möglich wäre, habe diese eine (ganz christliche Bitte) nicht durchsetzen können: daß mir Gottes Wort frei und ungebunden bliebe, und daß ich meine Bücher Ew. kais. Maj. und den Reichsständen auf solche Weise übergäbe oder auch der Entscheidung eines Konzils anvertraute, daß nichts gegen das Evangelium Gottes weder von mir zugegeben noch von ihnen festgesetzt würde. Das war der Hauptpunkt der ganzen Auseinandersetzung.
Denn Gott, der unsere Herzen durchforscht, ist mein Zeuge, daß ich ganz willig bin, Ew. kais. Maj. zu Willen zu sein und zu gehorchen, es sei im Leben oder Tod, in Ehre oder Schande, in Gewinn oder Verlust. [...] Aber bei Gottes Wort und den ewigen Gütern duldet Gott nicht, daß man diese einem Menschen unterordnet. Denn er will, daß ihm alle und alles unterworfen sei. Ihm allein gebührt wahrhaftig der Ruhm der Wahrheit, ja er ist die Wahrheit selbst, aber alle Menschen sind Lügner und Prahler, wie Paulus Rom. 3, 4 trefflich sagt. [...] Darum bitte ich aufs allerdemütigste, Ew. kais. Maj. wollen nicht denken, daß diese Entscheidung für das Wort Gottes aus einem bösen Argwohn herkommt, sie auch nicht ungnädig verstehen. Denn sie hat sich aus den vorher zitierten Schriftworten ergeben, welchen alle Kreatur billig weichen soll. Die Gültigkeit der Schrift, sagt Augustin, ist größer, als aller Menschen Verstand fassen kann. Denn meine hohe Meinung und Treue Ew. kais. Maj. gegenüber habe ich aufrichtig bewiesen. Ew. kais. Maj. kann das daraus leicht erkennen, daß ich unter Ew. kais. Maj. Geleit gehorsam erschienen bin und nichts befürchtet habe, obwohl ich wußte, daß meine Bücher von den Widersachern verbrannt sind und mittlerweile ein Mandat gegen mich und meine Bücher unter Ew. kais. Maj. Namen öffentlich und an vielen Orten angeschlagen ist. Das hätte einen armen Mönch wohl mit Recht abschrecken und zurückhalten können, wenn ich mich zu Gott dem Allmächtigen, Ew. kais. Maj. und zu den Reichsständen nicht alles Guten versehen hätte und noch versähe.
Auf keine Weise habe ich nun die Widerlegung meiner Bücher durch die heilige Schrift erreichen können und bin gezwungen gewesen, unwiderlegt davonzuziehen. Der ganze Streit aber (wie gesagt) beruht darauf, daß man die irrigen Artikel, die in meinen Büchern sein sollen, nicht mit der heiligen Schrift beweisen wollte, man machte mir auch keine Hoffnung oder gab mir das Versprechen, meine Büchlein irgendwann künftig nach Gottes Wort zu prüfen und zu erörtern: Trotzdem danke ich Ew. kais. Maj. aufs allerdemütigste, daß mir das öffentliche Geleit zu Worms unverbrüchlich gehalten und weiter zu halten zugesagt wurde, bis ich sicher nach Hause käme. Schließlich bitte ich Ew. kais. Maj. noch einmal um Christi willen aufs alleruntertänigste, nicht zu dulden, daß ich von den Widersachern unterdrückt werde, Gewalt leide und verdammt werde, zumal ich mich nun so oft angeboten habe, wie es sich für einen Christen und gehorsamen Menschen ziemt. Denn ich bin auch jetzt noch ganz bereit, mich unter Ew. kais. Maj. Schutz vor unverdächtigen, gelehrten und freien Richtern, weltlichen oder geistlichen, zu stellen, durch Ew. kais. Maj., durch die Reichsstände, durch Konzile, durch Doktoren oder wer da könne oder wolle, belehren zu lassen und meine Bücher und Lehren allen gerne zu unterwerfen, ihre Prüfung und ihr Urteil zu dulden und anzunehmen ohne jede Ausnahme als allein das offenbare, klare und freie Wort Gottes, welches billig über alles sein und aller Menschen Richter bleiben soll.
Daher bitte ich untertänigst nicht um meinetwillen (der ich es nicht wert bin), sondern im Namen der ganzen Christenheit, was mich auch bewogen hat, diesen Brief sogleich abzusenden. Denn von Herzen gern möchte ich, daß Ew. kais. Maj., dem ganzen Reich und der edlen deutschen Nation aufs allerbeste geraten würde und daß alle in Gottes Gnade glücklich erhalten blieben. Ich habe auch bisher nach nichts anderem gefragt als nach Gottes Ehre und dem Gemeinwohl aller, und auf meinen eigenen Vorteil habe ich auch jetzt noch immer nicht gesehen, mögen mich meine Gegner verdammen oder nicht. Wenn nämlich Christus, mein Herr, für seine Feinde am Kreuz gebeten hat (Luk. 23, 34), wieviel mehr sollte dann ich für Ew. Maj., für das Reich, für meine teuersten Oberherren und das ganze deutsche Vaterland, zu welchen ich mich alles Guten versehe – im Vertrauen auf meine obige Darlegung – mit Freude und Zuversicht in Christus besorgt sein, bitten und flehen.
Hiermit befehle ich mich in Ew. kais. Maj. Schutz und Schirm, die Gott der Herr uns mit Segen und gnädig regiere und erhalte, Amen.
WA Br 2, 307-310. Nr. 401. Lateinisch, in deutscher Übersetzung vollständig wiedergegeben bei Kurt Aland, Luther deutsch, Bd. 10, Stuttgart 1959, S. 85-89
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