LUTHER und EUROPA
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Erzbischof Albrecht von Mainz gibt Anweisungen für den Ablaß, ca. 1517
Albrecht von Brandenburg, Erzbischof und Mainz, weist in diesem Schreiben seine Untergebenen an, wie der Vertreib des Jubelablasses zum Zwecke der Finanzierung des Neubaus der Peterskirche in Rom zu gestalten sei. Allerdings nutzte Bischof Albert einen bedeutenden Teil der Ablaßeinnahmen, um Schulden bezahlen zu können. Das Schreiben an die Ablaßprediger, die »Instructio Summaria«, las später auch Luther, der daraufhin in einem Brief vom 31. Oktober 1517, dem er seine 95 Thesen anhängte, Bischof Albrecht bat, seine im folgenden Schreiben gegebenen Anweisungen an die Ablaßpredigen zurückzuziehen.
Die erste Gnade ist die vollkommene Vergebung [plenaria remissio] aller Sünden; und es kann gewiß nichts größer genannt werden als diese Gnade, weil der Mensch, der in Sünden lebt und der göttlichen Gnade beraubt ist, durch sie vollkommene Vergebung und Gottes Gnade von neuem erlangt. Durch diese Vergebung der Sünden werden ihm auch die Strafen, die er wegen Beleidigung der göttlichen Majestät im Fegefeuer büßen müßte, vollkommen erlassen, und die Strafen des genannten Fegefeuers gänzlich getilgt. Und obwohl nichts dafür gegeben werden könnte, was würdig genug wäre, eine solche Gnade zu verdienen [ad tantam gratiam promerendam], da Gottes Gabe und Gnade jede Berechnung übersteigt, setzen wir doch folgenderweise die Ordnung fest, damit die christgläubigen um so leichter zu ihrer Erwerbung eingeladen werden:
Erstens: Ein jeder, der im Herzen zerknirscht ist und mit dem Munde gebeichtet hat [contritus atque confessus], oder die aufrichtige Intention hat, zu gehöriger Zeit zu beichten, soll wenigstens sieben Kirchen besuchen, die hierfür bestimmt sind, nämlich in denen die Wappen des Papstes aufgehängt sind; und in jeder Kirche soll er andächtig fünfmal das Vaterunser und fünfmal das Ave Maria beten zu Ehren der fünf Wunden unseres Herrn Jesus Christus, durch den unsere Erlösung geschehen ist, oder einmal das Miserere [Ps 51] —, dieser Psalm paßt [nämlich] sehr gut, Vergebung der Sünden zu erlangen...
Vor allem müssen die Ablaßverkäufer [poenitentiarii] und Beichtväter [confessores], nachdem sie den Beichtenden die Größe dieser vollkommenen Nachlassung und ihrer Wirkungen erklärt haben, sie fragen, für wieviel Beitrag, Geld oder andere zeitliche Güter sie nach ihrem Gewissen die genannte vollkommene Nachlassung mit ihren Wirkungen nötig zu haben meinen - dies darum, damit sie darauf die Leute um so leichter zum Zahlen bewegen können. Und da die Zustände der Menschen allzu mannigfaltig und verschieden sind, daß wir sie nicht erwägen und so bestimmte Taxen auferlegen können, so schien uns, daß solche Taxen im allgemeinen [communi cursu] folgenderweise unterschieden werden können:
Die Könige und Königinnen sowie ihre Kinder, die Erzbischöfe und Bischöfe sowie andere große Fürsten, die sich in die Orte begeben, in denen das Kreuz aufgestellt ist, oder sonst dort befinden, sollen mindestens 25 rheinische Goldgulden bezahlen. Die Äbte und großen Prälaten der Kathedralkirchen, Grafen, Barone und andere mächtige Edelleute und ihre Frauen sollen jeweils 10 dergleichen Goldgulden zahlen. Andere Prälaten und kleinere Edelleute, wie auch die Rektoren berühmter Orte, und alle anderen, die, sei es von beständigen Einkünften, sei es von Kaufhandel, durchschnittlich im Jahr 500 dergleichen Goldgulden Einkommen haben, sollen 6 rhein. Goldgulden zahlen. Andere Bürger und Kaufleute, die durchschnittlich 200 Goldgulden einnehmen, sollen 3 rhein. Goldgulden zahlen. Andere Bürger, Kauf- und Handwerksleute, die eigene Einkünfte und Familie haben, sollen einen solchen Gulden zahlen. Andere kleinere Leute einen halben solchen Gulden... Und diejenigen, die kein Vermögen haben, sollen mit Gebet und Fasten ihren Beitrag ergänzen; denn das Himmelreich darf den Reichen nicht mehr als den Armen offenstehen...
Die zweite besondere Gnade ist der Beichtbrief [confessionale], voll von überaus großen und tröstlichen und bisher ungekannten Wirkungen, der, auch nachdem die acht Jahre unserer Bulle zu Ende gegangen sind, allezeit seine Kraft und Geltung behalten wird... Seinen Inhalt sollen die Prediger und Beichtväter mit allen Kräften erläutern und preisen. Es wird im Beichtbrief denen, die ihn kaufen gewährt:
Die Berechtigung, einen geeigneten Beichtvater zu wählen, auch aus den Bettelorden, der 1. sie vor allen Dingen von allen Kirchenstrafen, auch von den von Menschen auferlegten, mit dem Konsensus der Parteien absolvieren soll; 2. von allen schwersten Verbrechen, auch von denen, deren Lossprechung dem Apostolischen Stuhl vorbehalten sind, einmal im Leben und in der Todesstunde; 3. in den Fällen, die dem Apostolischen Stuhl nicht vorbehalten sind, so oft man ein Verbrechen begangen hat [totiens quotiens]; der 4. einmal im Leben und in der Todesstunde, so oft sie zu nahen droht, auch wenn der Tod dann nicht eintritt, den vollkommenen Ablaß aller Sünden geben kann; der 5. jegliche Gelübde (nur die Gelübde ausgenommen, mit denen einer feierlich gelobt hat, ins Heilige Land zu reisen, die Apostel in Rom zu besuchen oder zum heiligen Jakob nach Compostella zu wallen oder ein Mönch zu werden und in Keuschheit zu leben) in andere Werke der Frömmigkeit umwandelt; der ihnen 6. das Sakrament des Altars außer am Ostertag und in der Todesstunde zu jeder Jahreszeit spenden kann.
Die dritte besondere Gnade ist die Teilhabe [participatio] an allen Gütern der ganzen Kirche, welche darin besteht, daß die Ablaßkäufer für den genannten Bau und ihre verstorbenen Eltern, welche in Liebe [= im Stand der Gnade] gestorben sind, von nun an und in Ewigkeit teilhaben werden an allen Bitten, Fürbitten, Almosen, Fasten, Gebeten, an allen und jeden Wallfahrten, auch an denen in das Heilige Land, an den Stationen in Rom, an den Messen, Stundengebeten, Bußübungen und allen übrigen geistlichen Gütern, welche in der allgemeinen, allerheiligsten, kämpfenden Kirche und von allen ihren Gliedern geschehen und geschehen können. Dieser Dinge werden die Gläubigen dann teilhaftig, wenn sie Beichtbriefe kaufen. Über diese Wirkung müssen die Prediger und Beichtväter mit größtem Fleiß ausführlich reden und den Gläubigen Zureden, daß sie diese [Teilhabe] mit dem Beichtbrief zu kaufen nicht unterlassen mögen.
Wir erklären auch, daß zur Erlangung dieser letzten zwei vornehmlichen Gnaden nicht nötig sei zu beichten oder die Kirchen und Altäre zu besuchen, sondern nur den Beichtbrief zu kaufen...
Die vierte vornehmliche Gnade ist eine vollkommene Vergebung aller Sünden für die Seelen, die im Fegefeuer sind. Diese Vergebung schenkt und gewährt der Papst den Seelen, die sich im Fegefeuer befinden, fürbittweise [per modum suffragii], nämlich auf diese Art: daß für sie eine Einlage in den Kasten durch lebende Personen geschehe, die sie für sich zu geben oder aufzubringen hätten. Jedoch ist es unser Wille, daß bei einer solchen Einlage für Tote die Leitung durch unsere Subkommissare und durch diejenigen, die sie mit der Leitung besonders beauftragen/ geschehe. Auch ist nicht nötig, daß die Personen, die für die Seelen in den Kasten legen, im Herzen zerknirscht sind und mit dem Munde gebeichtet haben, da diese Gnade sich nur auf die Liebe, worin der Verstorbene abgeschieden ist, und auf die Einlegung des Lebenden gründet, wie aus dem Text der Bulle deutlich. Auch sollen sich die Prediger aufs fleißigste bemühen, diese Gnade kräftig zu verkündigen, weil durch sie den abgeschiedenen Seelen ganz gewiß zu Hilfe gekommen und dem Werk des Kirchenbaues des heiligen Petrus sehr ergiebig und überreichlich geholfen wird.
Quelle: Oberman, Heiko A., Die Kirche im Zeitalter der Reformation. Neukirchen 1981, 12-15.
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