Ignatius von Loyola, Religionspolitik und Ketzerkampf: Brief an Petrus Canisius, 13. August 1554
Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens, macht in seinem Brief an Petrus Canisius (1521—1597) rigorose Vorschläge zur radikalen Bekämpfung der »Ketzerei«. Canisius, 1549 von Ignatius als achtes Mitglied in die Societas Jesu aufgenommen, wirkte als enger Vertrauter von König Ferdinand maßgeblich für die Erneuerung der katholischen Kirche in Deutschland; 1552 gründete er das Wiener Jesuitenkolleg; ab 1556 prägte er als der erste >Obere< der oberdeutschen Ordensprovinz der Jesuiten die Ausbreitung des Ordens in Deutschland.
Zunächst dürfte es zweifellos das wirksamste und wichtigste aller den Menschen zu Gebote stehenden Heilmittel sein, wenn die königliche Majestät sich nicht nur (wie schon immer) als katholisch, sondern auch als scharfer, unerbittlicher Gegner der Ketzereien bekennt und allen Irrtümern der Ketzer offen und nicht nur insgeheim den Krieg erklärt. Daraus würde dann als zweitwichtigste Maßnahme folgen, daß die königliche Majestät in ihrem Kronrat [consilio regio] keine Ketzer duldet und überhaupt nichts auf solche Menschen gibt, von denen man annehmen muß, daß ihre Ratschläge [consilia] offen oder insgeheim darauf abzielen, daß sie die verderbliche Ketzerei, mit der sie sich befleckt haben, fördern und begünstigen. Außerdem wäre es von größtem Nutzen, wenn man in der Verwaltung einer Provinz oder eines Ortes — besonders an höchster Stelle — sowie in irgendwelchen Ämtern oder Ständen von Rang niemanden belassen würde, der von der Ketzerei befallen ist. Schließlich sollte deutlich und allen bekannt sein, daß niemand durch Ehrungen oder Besitz ausgezeichnet werden darf, sobald er einer verderblichen Ketzerei überführt oder dringend verdächtig ist, sondern daß ihm dann vielmehr beides entzogen wird. Und wenn man einige Male durch Todesstrafe oder durch Konfiskation der Güter und Verbannung ein Exempel statuieren und damit deutlich machen würde, daß die Religionsfrage ernstgenommen wird, so wäre dieses Heilmittel um so wirksamer. An der Universität in Wien und anderswo müssen unserer Meinung nach alle öffentlichen Professoren und auch jene, denen die Verwaltung obliegt, ihrer Ämter enthoben werden, wenn sie im Hinblick auf den katholischen Glauben keinen guten Ruf haben. Das gleiche gilt von Rektoren, Leitern und Dozenten privater Kollegien; wer nämlich die Jugend zur Frömmigkeit erziehen [informare] soll, darf sie nicht verderben. Man darf dort also Verdächtige oder gar offene Ketzer keinesfalls behalten, damit sie nicht die Jugend anstecken; und auch Gelehrte [scholastici], von denen nicht zu erwarten ist, daß sie leicht wieder zur Einsicht kommen, müssen in diesem Falle ohne jede Rücksicht relegiert werden. Ja, alle Lehrer und Erzieher [ludimagistri et pedagogi] müssen einsehen und am eigenen Leibe erfahren, daß es für sie in den königlichen Gebieten keinen Platz mehr gibt, wenn sie es nicht vorziehen, katholisch zu sein, und dies auch unter Beweis stellen.
Alle ketzerischen Bücher, die bei einer sorgfältigen Fahndung im Besitz von Buchhändlern [bibliopolae] oder Privatleuten gefunden werden, sollten entweder verbrannt oder ins Ausland befördert werden. Ebenso sind nach unserer Meinung auch die Bücher von Ketzern, die selbst nicht ketzerisch sind, wie über Grammatik oder Rhetorik oder die Dialektik des Melanchthon, wegen der Ketzerei ihrer Verfasser gänzlich aus dem Verkehr zu ziehen. Denn es ist gefährlich, sie zu nennen und der Jugend zu empfehlen, da sich die Ketzer bei dieser durch solche Werke ein-schmeicheln, in denen Dinge zu lesen sind, die allerdings gelehrt sind und mit der ernsten Gefahr, um die es hier geht, wenig zu tun haben. Überhaupt wäre es von größtem Nutzen, wenn unter Androhung schwerer Strafen verboten würde, daß ein Verleger eines der besagten Bücher drucken läßt, und wenn man in Kommentaren keine Anmerkungen eines Ketzers aufnimmt, die auch nur in einem Beispiel oder Wort an die gottlose Lehre erinnern oder mit dem Namen ihres ketzerischen Autors versehen sind. Entsprechend darf es natürlich – bei Androhung der gleichen Strafen – auch keinem Händler oder sonst jemandem erlaubt sein, anders-wo gedruckte Bücher dieser Art in den Herrschaftsbereich des Königs einzufühen.
Man darf keine Priester [curiones] und Beichtväter [confessarii] dulden, die im Ruf der Ketzerei stehen; und wenn sie überführt sind, dann sollte man ihnen sogleich alle kirchlichen Einkünfte entziehen. Denn es ist besser, wenn eine Herde ohne Hirte ist, als wenn sie zum Hirten einen Wolf hat. Soweit die Geistlichen [pastores] im Hinblick auf ihren Glauben zwar katholisch sind, aber durch ihre große Unwissenheit und ihr schlechtes Beispiel als öffentliche Sünder das Volk verderben, müssen sie unserer Meinung nach von ihren Bischöfen aufs härteste bestraft werden, ihre Einkünfte verlieren und auf jeden Fall von der Seelsorge [cura animarum] ausgeschlossen werden. Denn das schlechte Leben und die Unwissenheit solcher Leute haben die Seuche der Ketzerei über Deutschland gebracht.
Die Prediger und Führer der Ketzer und überhaupt alle, die dabei ertappt werden, wie sie andere mit dieser Seuche infizieren, müssen schwer bestraft werden. Dabei sollte man überall öffentlich erklären, daß alle, die innerhalb eines Monats nach dieser Bekanntmachung wieder zur Einsicht kommen, vor beiden Gerichten mit einer gnädigen Amnestie [absolutio] rechnen können. Wer jedoch nach dieser Frist als Ketzer ergriffen wird, der soll ehrlos [infames] sein und niemals ein Amt bekleiden [inhabiles ad omnes honores] dürfen. Es wäre vielleicht sogar noch ratsamer, wenn man bestimmte Leute mit Verbannung, Kerker oder unter Um-ständen auch mit dem Tode bestrafen könnte; aber von dieser Höchststrafe und von der Einrichtung der Inquisition will ich nicht sprechen, denn dies könnte Deutschland in seiner jetzigen Verfassung wohl nicht ertragen.
Wer die Ketzer »evangelisch« nennt, soll dies mit einer angemessenen Geldstrafe büßen, damit sich der Satan nicht darüber freuen kann, daß sich die Feinde des Evangeliums und des Kreuzes Christi einen Namen anmaßen, der zu ihrem Tun in Gegensatz steht. Außerdem soll man unserer Ansicht nach die Ketzer bei ihrem richtigen Namen nennen, damit man schon erschrickt, wenn man jene als das bezeichnet, was sie sind, und damit sie nicht ihr tödliches Gift unter dem Deckmantel des heilsamen Namens verbergen können.
zit. nach Heiko A. Oberman, Die Kirche im Zeitalter der Reformation, Neukirchen-Vluyn 4. Aufl. 1994, Dok. Dok. 111, S. 230-32 (Auszüge)
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