Urteil des Landgerichts Marburg im Prozess gegen die Urheber der Kirchhainer "Judenaktion" von 1938, 5. Juni 1950 [Dokumentabschnitt 1].
Den u.a. wegen schweren Landfriedensbruchs infolge der Kirchhainer "Judenaktion" Hauptangeklagten Friedolin Gruß, Walter Biedermann, Ernst Teichmann, Otto Teichmann, Hermann Mandt, Konrad Neebe und Heinrich Wisker wird Straffreiheit gewährt; die Angeklagten Heinrich Metzler und Paul Bohl werden aus Mangel an Beweisen frei gesprochen.
Das Urteil bezieht sich auf die Ausschreitungen am 8. November in Kirchhain, Schweinsberg, Niederklein und Neustadt. Bei einer Versammlung der örtlichen SS-Angehörigen am Abend des 8.11. sei der gemeinsame Entschluss gefasst worden, "mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten" an Kirchhainer Juden zu begehen. Die Versammlung sei von W. Biedermann einberufen worden. Die Entschließung zur Kirchhainer "Judenaktion" sei unter dem Eindruck der nationalsozialistischen Propaganda getroffen worden, Anstifter und Rädelsführer seien unter den Angeklagten nicht auszumachen gewesen. Die Erwartungshaltung höherer Parteibehörden habe die Aktion begünstigt und befördert. Der allgemeinen Erwartungshaltung seitens staatlicher Behörden und der Bevölkerung gegenüber seien die lokalen Ordnungskräfte machtlos gewesen. Die jahrelange Indoktrinierung habe zudem die Urteilskraft der Angeklagten getrübt und sie verhindert, das Ausmaß ihrer Aktion zu begreifen.
Daher sei nur ein Strafmaß in Höhe von sechs Monaten angemessen gewesen, dass aufgrund der aktuellen Gesetzgebung (siehe Gesetz zur Straffreiheit 31.12.1949) durch die Interierungsstrafe der Angeklagten unter alliierter Besatzungsherrschaft verbüßt sei.
Aus technischen Gründen ist das Dokument in fünf Abschnitte unterteilt worden.
Abschnitt 2 siehe Dok 88.3.1
Abschnitt 3 siehe Dok 88.3.2
Abschnitt 4 siehe Dok 88.3.3
Abschnitt 5 siehe Dok 88.3.4
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